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ANNALEN DER PHYSIK UND CHEMIE.
NEUNZEHNTER BAND. DER GANZEN FOLGE FÜNFUNDNEUNZIGSTER.
NEBST VIER KUPFERTAFELN.
LEIPZIG,1830. VERLAG VON JOHANN AMBROSIUS BARTH.
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IV. Correspondirende Beobachtungen über die regelmäſsigen stündlichen Veränderungen und über die Perturbationen der magnetischen Ab - weichung im mittleren und östlichen Europa; gesammelt und verglichen von H. W. Dove, mit einem Vorwort von Alexander von Humboldt.

Die Erscheinungen des tellurischen Magnetismus in drei - fachem Gesichtspunkte beobachtet, in ihrer gegenseitigen Beziehung der Neigung, Abweichung und Kraft-Intensi - tät, in ihrer Veränderlichkeit oder allmäligen Entwicklung an demselben Orte durch eine lange Zeitperiode, endlich in ihrer Gleichzeitigkeit in sehr entfernten Räumen, sind seit einer groſsen Reihe von Jahren der Gegenstand mei - ner Beobachtungen gewesen. Als ich aus Peru und Me - xico zurückkehrte, wo ich (an den Küsten der Südsee) auch mehrere Bestimmungen der stündlichen Abweichung mittelst einer an einem Seidenfaden aufgehangenen, mit Dioptern versehenen, 12 Zoll langen Magnetnadel ver - sucht hatte, brachte ich, in Berlin, mit vieler Sorgfalt zu demselben Zwecke eine Vorrichtung zu Stande, an der ich, gemeinschaftlich mit Hrn. Prof. Oltmanns, in den Jahren 1806 und 1807 beobachtete. Wir bedien - ten uns des Prony'schen magnetischen Fernrohrs, wel - ches Winkel von 7 bis 8 Secunden mit Sicherheit an - gab. Wir beobachteten hauptsächlich in den Solstitien und Aequinoctien Tages und Nachts ununterbrochen meist von halber zu halber Stunde 4 bis 6 Tage hinter ein - ander, und erhielten 1500 Resultate über die Verände - rungen der stündlichen Abweichung, Mittelzahlen von etwa 6000 Beobachtungen, in denen Spuren einer nächt - lichen Periode, Einfluſs des Nordlichts auf Abweichung358 und Intensität, und sonderbare Perturbationen (magneti - sche Gewitter), wenn die Sonne unter dem Horizonte steht und nicht mehr die electro-magnetische Spannung der Erdoberfläche regiert, keinesweges zu verkennen wa - ren. Ich äuſserte damals schon den lebhaften Wunsch, ähnliche Apparate in Osten und Westen von Berlin auf - gestellt zu sehen, um groſse tellurische Phänomene von dem unterscheiden zu können, was localen Störungen im Innern des ungleich erwärmten Erdkörpers (und in der Wolken bildenden Atmosphäre)*)Farquharson in Phil. Trans. 1830, p. 97. zugehört, aber meine Abreise nach Paris und die politischen Verwirrungen im westlichen Europa hinderten die Erfüllung dieses Wun - sches.

Nach einer langen Unterbrechung wurde in Frank - reich die von Caſsini begonnene Arbeit mit einem weit vollkommneren Apparate (von Gambey) nach einem ganz neuen, viel umfaſsenderen Plane und mit einer bis dahin unerreichten Genauigkeit fortgesetzt. Durch Arago begann eine glänzende Epoche für die Erforschung des tellurischen Magnetismus. Die auf der Pariser Stern - warte regelmäſsig zu bestimmten Stunden gemachten Beob - achtungen über die täglichen Veränderungen der Abwei - chung umfaſsen eine gröſsere Periode von Jahren, als je diesem Zweige der meſsenden Physik gewidmet worden sind. Das Licht, welches die Entdeckungen von Oer - sted, Arago, Ampère und Seebeck unerwartet über den inneren Zusammenhang der Elektricität und des Mag - netismus verbreiteten, erweckte, nach langem Schlummer, ein allgemeines Intereſse für den periodischen Wechsel der elektro-magnetischen Ladung des Erdkörpers. Arago zeigte, daſs Nordlichter, selbst da, wo sie nicht gesehen werden, den regelmäſsigen Gang der Nadel unterbrechen. Gleichzeitige Beobachtungen in Paris und Kasan, die un - verabredet angestellt waren, lehrten, wie weit sich die Wirkung dieser Pertubationen erstrecke; sie erinnerten359 lebhaft daran, wie viel man durch correspondirende Beob - achtungen gewinnen könne.

Als ich nach einem 18jährigen Aufenthalt in Frank - reich nach Berlin zurückkehrte, beschäftigte ich mich so - gleich damit, nicht bloſs die 1806 begonnene Arbeit wie - der aufzunehmen, sondern auch meine Lage dahin zu be - nutzen, um in - und auſserhalb Europa einen regelmäſsi - gen Cursus correspondirender Beobachtungen des tellu - rischen Magnetismus zu begründen; Gleichmäſsigkeit der Apparate und der Methoden, verständige Auswahl der Beobachtungsorte, steter Verkehr zwischen den geübten Beobachtern und Sicherung des Antheils gelehrter Cor - porationen, damit das von meinen Freunden und mir ge - gründete Institut permanent bleibe, waren wesentliche Er - forderniſse. Fast dürfen wir schon sagen, daſs unsere Linie magnetischer Stationen sich jetzt von Südamerika quer durch Europa bis Peking erstreckt. Bouſsingault beobachtet auf meine Bitte mit einem Instrumente von Gambey in der tropischen Region von Columbia, wo die Abweichung östlich ist*)S. den Auszug aus meiner academischen Abhandlung: Ueber das Mittel, die Ergründung einiger Phänomene des tellurischen Magnetismus zu erleichtern, in Poggendorff's Annalen, 1829, St. 3. S. 331.. Im Herbste 1828 habe ich zu Berlin in dem Garten des Stadtraths Mendelsohn - Bartholdy ein magnetisches Haus aufführen laſsen, ohne alles Eisen, mit Häspen, Nägeln und Schlöſsern von ro - them Kupfer. In Freiberg auf dem sächsischen Erzge - birge wird unter Tage, in 35 Lachter Teufe, auf dem tiefen Fürsten-Stollen in dem Baue des Methusalem beob - achtet. Die von mir, auf Befehl des Kaisers von Ruſs - land, im vorigen Jahre unternommene Reise nach dem nördlichen Asien hat mir mannigfaltige Gelegenheit ver - schaft, meinen Plan eine groſse Ausdehnung zu geben. Auf meinen Antrag hat die Kaiserl. Academie der Wis - senschaften zu St. Petersburg ein magnetisches Haus für360 den trefflichen Physiker Hrn. Prof. Kupffer bauen las - sen. Aehnliche Anstalten sind in Kasan und Nicolajew getroffen. Für Moscau, Irkutzk und Sitka (an der Nord - Westküste von Amerika, wo Baron Wrangel beob - achtet) sind Instrumente bereits bestellt. Der Astronom Hr. Fuſs der jüngere, welcher die Miſsion griechischer Mönche nach Peking begleitet, ist mit einer schönen De - clinationsnadel von Gambey versehen. » Unsere Sta - tionslinie, « schreibt mir so eben Prof. Kupffer, deſsen unbegrenzter Thätigkeit wir wahrscheinlich auch bald die Kenntniſs der Configuration und des Fortschreitens der Linie ohne Abweichung verdanken werden, » erstreckt sich nun bis Archangel, wo, auf Befehl des Seeministers, bei Aufnahme des Weiſsen Meeres, Neigung, absolute und stündliche Abweichung, und Intensität der magneti - schen Kraft von einem sehr kenntniſsvollen Beobachter bestimmt werden sollen. « So viel ist bisher zur Erre - gung allgemeiner Theilnahme an den correspondirenden Beobachtungen gelungen. Die Academie der Wiſsenschaf - ten*)Sitzung vom 28. Junius 1830 zu Paris hat, bei Gelegenheit meiner Abhandlung über Inclinations-Bestimmungen am Ural, Altai und Cas - pischen Meere, Commiſsarien**)Gay-Lussac, Arago und Dulong. ernannt, um Vorschläge zu machen, wie mein Unternehmen weiter ausgedehnt werden könne.

In den Nordamerikanischen Freistaaten, wo die Re - gierung die ungeheure Ausdehnung des Territoriums be - reits nach einem so glücklichen Plane zur Ergründung meteorologischer Erscheinungen benutzt; in der südlichen Hemisphäre, in Neu-Holland, am Vorgebirge der Guten Hoffnung, in Chili und auf groſsen Höhen der Andeskette, in Quito, Potosi und Mexico, wären permanente Statio - nen sehr wünschenswerth. Bei dem Fortschreiten wis - senschaftlicher Kultur und dem raschen Verkehr der Völ -361 ker sind solche Einrichtungen (wo ernster Wille ist) leicht zu treffen, besonders wenn man sich immer mehr und mehr überzeugen wird, daſs groſse tellurische Phä - nomene von Reisenden zwar theilweise aufgefaſst, aber allein durch fortgesetzte Beobachtungen auf permanenten physikalischen Observatorien ergründet werden können.

Am Schluſs dieser historischen Einleitung muſs ich noch bemerken, daſs der verdiente Herausgeber der An - nalen der Physik, Profeſsor Poggendorff, alle nach Berlin, wo nun eine Central-Anstalt, eingesandten corre - spondirende Beobachtungen wird abdrucken laſsen. Die bisher verabredeten Epochen sind:

20. und 21. März, 4. und 5. Mai, 21. und 22. Junius, 6. und 7. August, 23. und 24. September, 5. und 6. November, 21. und 22. December,von 4 Uhr Mor - gens des ersten Tages bis Mitter - nacht des zwei - ten Tages,

wenigstens von Stunde zu Stunde Tages und Nachts. Sollte die Zahl der Epochen zu groſs scheinen, so steht zu wünschen, daſs man sich auf die Solstitien und Aequi - noctien vorzugsweise beschränke.

Alexander v. Humboldt.

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TextCorrespondirende Beobachtungen über die regelmässigen stündlichen Veränderungen und über die Perturbationen der magnetischen Abweichung im mittleren und östlichen Europa; gesammelt und verglichen von H. W. Dove, mit einem Vorwort von Alexander von Humboldt.
Author Alexander von Humboldt
Extent6 images; 1301 tokens; 685 types; 8675 characters
Responsibility Alexander Geyken, ed.; Susanne Haaf, ed.; Bryan Jurish, ed.; Matthias Boenig, ed.; Christian Thomas, ed.; Frank Wiegand, ed.

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EditionVollständige digitalisierte Ausgabe.

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Bibliographic information Correspondirende Beobachtungen über die regelmässigen stündlichen Veränderungen und über die Perturbationen der magnetischen Abweichung im mittleren und östlichen Europa; gesammelt und verglichen von H. W. Dove, mit einem Vorwort von Alexander von Humboldt.. Alexander von Humboldt. . I+5 S. 1830. Annalen der Physik und Chemie (19) pp. 357-361.

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