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ALLGEMEINE LITERATUR-ZEITUNG vom Jahre 1795.
ZWEYTER BAND. APRIL, MAY, JUNIUS.
JENA,in der Expedition dieſer Zeitung,und LEIPZIG,in der churfürſtl. ſächſ. Zeitungs-Expedition.1795.

Numero 124.

ALLGEMEINE LITERATUR-ZEITUNG

NATURGESCHICHTE.

LEIPZIG, b. Cruſius: Widemann's Handbuch des oryk - tognoſtiſchen Theils der Mineralogie. (Mit einer Far - bentabelle und einer Kupfertafel.) 1794. 1040 S. 8.

Wenn das zunehmende Intereſſe des Publicums et - was für die Güte eines wiſſenſchaftlichen Syſtems beweiſen kann; ſo wird Hn. Werner's Umarbeitung der Mineralogie ſchon dadurch empfohlen, daſs man ſo vielfache und gleichzeitige Bemühungen bemerkt, dieſelbe gemeinnütziger zu machen. Hr. W. liefert uns hier ein neues, überaus reichhaltiges und gutgeſchrie - benes, Handbuch, welches (wie das Lenziſche und Em - merlingiſche) nach Hn. Werners Grundſätzen abgefaſst iſt. Der Vf. äuſsert ſich ſelbſt über ſeine Arbeit mit ei - ner Beſcheidenheit, welche unſeren neuen, immer kampfrüſtigen mineralogiſchen Schriftſtellern nicht ge - nugſam zu empfehlen iſt. Ich bin mir bewuſst, (heiſst es in der Vorrede,) daſs ich wenig oder nichts neues werde vortragen können. Wenn dieſem Handbuche irgend ein Verdienſt zugeſchrieben werden ſollte, ſo fällt es ganz auf den Hn. B. Commiſſionsrath Werner in Freyberg zurück, dem ich auch niemals mit dieſer Arbeit vorgegriffen haben würde, wenn mich nicht meine Lehrſtelle dazu genöthigt hätte, und wenn mich nicht die veränderte Lage des Hn. Werners, wodurch er noch mehr, als vorher, mit Geſchäften überhäuft worden iſt, befürchten lieſse, daſs es viel - leicht noch eine geraume Zeit anſtehen möchte, bis er den Wunſch des Publicums durch Herausgabe ſei - nes oryktognoſtiſchen Lehrbuchs befriedigen wird. Eine ſolche Aeuſserung entwaffnet ſelbſt die ſtrengſte Kritik. Rec. kann ſich die Verlegenheit lebhaft vor - ſtellen, in der ſich der Herausgeber eines mineralogi - ſchen Lehrbuchs befindet, wenn ſeine eigenen Ideen ſich zu den Ideen ſeines Lehrers miſchen, und er doch gewiſſenhaft nur ſein Eigenthum liefern will. Bey Hn. W's. gänzlichem Stillſchweigen fügen wir bloſs die Frage hinzu, ob die Vf. jener neuen Oryktognoſien nicht jeder Verlegenheit entgangen wären, wenn ſie ih - ren Schriften den Titel: Werners Handbuch der Orykto - gnoſie, mit Zuſätzen vermehrt, herausgegeben von *** vorgeſetzt hätten. So erſcheinen noch jetzt Naturſyſte - me und Pflanzengattungen unter Linné's Namen, bey denen Gmelins ſammelnder Fleiſs und Schrebers philo - ſophiſcher Scharfblick der Aufmerkſamkeit der Natur - forſcher nicht entgehen. Das Handbuch des Hn. W. zerfällt nach der bekannten Wernerſchen Form in den präparativen und praktiſchen Theil der Orykto - gnoſie. Dem erſteren iſt eine Einleitung, über Natura -A. L. Z. 1795. Zweyter Band. lien im Allgemeinen, vorausgeſchickt, meiſt nach Blu - menbachs Handbuch der Naturgeſchichte. Die Wer - nerſchen Atmoſphärilien begreift der Vf. in ein viertes Naturreich zuſammen. Von den Kennzeichen der Foſ - ſilien überhaupt. (Prüfung des relativen Werths die - ſer Kennzeichen S. 12. überaus lehrreich und wohl aus - gearbeitet.) Von den äuſsern, allgemeinen und be - ſondern Kennzeichen S. 19 201., von den chemiſchen bis S. 206., von den phyſikaliſchen bis S. 209., von den empiriſchen S. 210. Wir heben bloſs den Abſchnitt von den Farben aus, welche Hr. W. mit groſser Voll - ſt<ä>ndigkeit und rühmlichem Fleiſse behandelt hat. Der angehängten Farbentabelle des Hn. Hofr. Kerners wird niemand, der die Schwierigkeit ſolcher Unternehmun - gen kennt, ſeinen Beyfall verſagen. Auf einen kleinen Raum lieſs ſich wohl nicht mehr zuſammendrängen, und der Vf. urtheilt ſehr richtig, wenn er ſagt, die Ausführung wird ſchon dadurch erſchwert, daſs man Glanz, Durchſichtigkeit und Bruch nicht ausdrücken kann, auch ſelten an den Stuffen ſo groſse Lichtmaſ - ſen und ebene Flächen zu ſehen bekommt, als die Tabelle zeigt. Prange und Schäfer ſind überall kri - tiſch citirt. Rec. glaubt, daſs die ſtete Farbe gewiſſer Pflanzentheile noch ein ſehr gutes Mittel an die Hand geben würde, die mineralogiſchen Benennungen der Farben gleichſam zu fixiren. Doch käme es dabey auf vorſichtige Auswahl nicht variirender Theile an, als Blüthe des Tropacol. majus, morgenroth; Zweige des Lich. floridus, berggrün; Früchte des Lich. ſubfuscus, ziegelroth u. ſ. w. Bey den regelmäſsigen Geſtalten vermiſſen wir in einem ſo treflichen Lehrbuche ungern die wichtige Theorie des Hn. Haüy. (ſ. unter andern Theorie ſur la ſtructure des criſtaux in Annal. de Che - mie 1793 Juin p. 225. und mit den analytiſchen For - meln des Hn. Gillot in Rozier J. de Phyſ. 1793. Juillet. p. 103.) Dagegen iſt der Abſchnitt von den fremdarti - gen auſseren Geſtalten oder Verſteinerungen S. 134. nach Blumenbachs Ideen, deſto fruchtbarer bearbeitet. Der Behauptung, daſs die Originale zu den verſteinerten Thierknochen meiſtens ſchwer zu beſtimmen wären, wenn nicht Schädel, Zähne oder Hörner mit gefunden werden, kann Rec. nicht beytreten. Auch bloſse Pha - langen, oſſa innominata, peluis und Schenkelknochen ſind charakteriſtiſch. S. 155. wird an dem Daſeyn ver - ſteinter Blumen gezweifelt, aber im Oeninger Schiefer kommen wirklich Corollen von Ranuuculus vor, und die Aechtheit der Phalaris bulboſa in den Frankenber - ger Verſteinerungen mögen wir nicht mit dem Vf. ab - läugnen. Praktiſcher Theil S. 213. Von der Claſſi - fication der Foſſilien. Von den Erdarten nimmt der Vf. nur 7 auf. Das merkwürdige Verhalten der Strontian -F ferdeALLG. LITERATUR-ZEITUNGerde zur Salpeterſäure, ihre Auflöslichkeit im Waſſer und Niederſchlag durch den Zutritt der atmoſphäri - ſchen Luft geben dieſer doch auch wohl das Bürger - recht dieser ſelbſtſtändigen Grunderde. Die gemengten Foſſilien S. 228. behandelt der Vf. ebenfalls als einen Gegenſtand der Oryktognoſie, und theilt ſie in 2 Claſ - ſen, je nachdem ſie ein beſtimmtes oder unbeſtimmtes Verhältniſs ihrer Gemengtheile zeigen. Rec. ſieht wohl ein, daſs man Gebirgsarten geognoſtiſch nach ihrem re - lativen Alter, nach Schichtung und Lagerung, und oryktognoſtiſch nach den äuſsern Kennzeichen ihrer Gemengtheile betrachten könne, ob aber darum Por - phyr und Feldſpath als gleichnamige Objecte einer ſyſtematiſchen Oryktognoſie aufgeführt werden dür - fen, darin iſt er mit dem ſcharfſinnigen Vf. dieſes Hand - buchs nicht einig. Bey der Aufzählung der ein - zelnen Foſſilien müſſen wir uns begnügen, im Allge - meinen den Gang des Vf. darzuſtellen, und unter den vielen eigenen Ideen, mit denen derſelbe das Wernerſche Syſtem vermehrt, nur einige herauszuheben. Jedem Ge - ſchlechte ſchickt Hr. W. eine chemiſche Zergliederung der charakteriſirenden Grunderde voraus. Dann folgen die Gattungen einzeln, ihre Benennungen, Literatur, äuſsere Beſchreibung, chemiſche Beſtandtheile und Vaterland. Die Synonymie, Literatur und Geburtsörter ſind bey weitem nicht ſo vollſtändig, als in der Wernerſchen Mineralogie, welche Hr. Emmerling herausgegeben hat. Der Diamant ſteht interimsweiſe noch unter den Kieſelarten. Mann kann ihn wohl jetzt endlich unter die Inflammabilien zählen, da er, (wenn überhaupt chemiſchen Analyſen zu trauen iſt,) höchſt wahrſchein - lich reiner Carbon, Baſis der kohlenſauren Luft iſt. Rubin und Saphir verbindet der Vf., wie Hr. Werner, den Spinell aber nennt er Rubinſpinell. Vom Olivin wird S. 262. unrichtig geſagt, daſs man ihn nicht kry - ſtalliſirt fande. Es ſind 2 Arten des Olivins, gemeiner und blättriger. Die Kryſtalliſationen des letzteren hat Hr. Freiesleben (Verfaſſer der vortreflichen mineral. Be - merkungen über das ſchillernde Foſſil von der Baſte bey Harzburg, Leipz. 1794) ausführlich beſchrieben. Auch Hr. Reuts erwähnt deſſelben oft in ſeiner Min. Geogra - phie von Böhmen. Die Topaſe von Mucla in Vorder - Aſien verhalten ſich, nach des Vf. merkwürdigen Ver - ſuchen S. 271., wie die Turmaline. Turmalin und ſchwarzer Stangenſchörl werden S. 282. zu einer Art verbunden, weil der Vf. behauptet, Zeiloniſche ganz undurchſichtige Turmaline zu beſitzen. Dagegen führt er den Braſiliſchen dunkelgrünen Turmalin als eigene Art auf. S. 257. finden wir mit Vergnügen auch den rothen Stangenſchörl vom Gothard, den bereis Hr. Kar - ſten in ſeinen neuen Tabellen aufführt. Der Vf. ent - wirft eine neue äuſsere Charakteriſtik davon. Was S. 290. unter dem unbeſtimmten Namen: vulkaniſcher Schörl, beſchrieben wird, ſcheint Werners Veſuvian zu ſeyn. Den Thumerſtein nennt Hr. W. Glasſchörl oder Glasſtein. Der erſte Name iſt, da Thumerſtein nach dem groſsen Analytiker Klaproth ſchlechterdings kein Schörl iſt, wohl nicht recht zu vertheidigen, ſo leicht wir auch das Andenken an das Dörfchen Thum aufge - ben. Den Augit vermiſſen wir ungern, da er als neuedeutſche Kieſelgattung immer auffallend bleibt. Ame - thyſt und Bergkryſtall verbindet der Vf. in eine Art, doch ſcheinen Rec. die ſtänglich abgeſonderten Stücke, auch wenn er graulichweiſs iſt, ſehr charakteriſtiſch. Den Praſem und roſenrothen Quarz rechnet er zum ge - meinen Quarz. Doch charakteriſiren den erſtern nicht etwa Farbe, ſondern die ſchalig abgeſonderten Stücke als eigene Art. Auch wundern wir uns, wenn der Vf. gegen Werners Abtheilung des Hornſteins in 2 Arten S. 307. anführt, der Bruch des Hornſteins nahe ſich nur dann dem muſchlichen, wenn er in Feuerſtein und gemeinen Opal übergehen. Der Jaſpis wird unter dem Kieſelgeſchlecht aufgeführt. Band - und ägyptiſcher Jaſpis mit einander verbunden, und Heliotrop als Jaſ - pisart betrachtet. Eben ſo vereinigt der Vf. auch Kar - neol und Chalcedon, trotz des vollkommen muſchli - chen Bruchs des erſten, führt aber Kachalong als eige - ne Art auf. Pechſtein, Bimſtein und Tripel ſtehen nach unſerm Vf. ebenfalls unter dem Kieſelgeſchlecht. Die Werneriſchen 4 Arten des Opals, der Labrador - ſtein und gemeine Feldſpath, das Katzenauge und der Mondſtein, der faſrige, ſtrahlige und blättrige Zeolith, die bekannten 3 Arten des Tremolits, Porcellanerde und Töpferthon, ſo wie Schiefer - und verhärteter Thon, Zeichenſchiefer und Thonſchiefer, Lydiſcher Stein und Kieſelſchiefer, gemeiner und glänzender Alaunſchiefer, verhärtetes und zerreibliches Steinmark, Bologneſer - ſpath, Stangenſpath, körniger! und ſchaliger Schwer - ſpath, und die 5 Arten der Steinkohlen werden als Abänderungen von einem Foſſil mit einander verbun - den. Dagegen erſcheinen Rogenſtein, Jade, der von den neuen Mineralogen vergeſſene Leberſtein und Zink - ſpath als eigene Gattungen. Auch auf die neuen äu - ſseren Beſchreibungen des Lepidoliths, des Bitterſpaths, des Braunſteinſchaums von Hüttenberg in Kärnthen, des erdigen Apatits, eines unbekannten dem glasarti - gen Strahlſtein nahe verwandten Foſſils von Arendal, des luftſauren Silbers vom Wenzel bey Altwolfach und des gelben Spieſsglaserzes, ſo wie auf die ſchätzbaren Nachrichten vom Nagyager und weiſsen Golderzen muſs Rec. aufmerkſam machen. Wenn der Vf. den Trapp der Schweden und Wakke für beſtimmte Syno - nyme hält, ſo können wir ihm nicht beypflichten, da der Name Trapp in Schweden ſchlechterdings eine gan - ze Reihe von verwandten Gebirgsarten unter ſich be - greift. Obſidian hält der Vf. für ein vulcaniſches Pro - duct, und den darin vorkommenden Feldſpath für Bim - ſtein oder Leucit. Beym Boracit wird der merkwür - dige Verſuch des Hn. Groſs angeführt, nach dem die ſtark abgeſtumpften Ecken des erwärmten Kryſtalls beym Erkalten eine poſitive, und die ſchwach abge - ſtumpften eine negative Elektricität zeigen. Das Kams - dorfer gediegne Eiſen iſt weniger zweifelhaft, als der Vf. glaubt. Rec. hat Stücke mit wahrer Gangart da - von in Händen gehabt. (Die Pallaſiſche Maſſe iſt nach Hn. Chladnis übrigens ſehr ſcharfſinnigen Theorie ja gar nicht einmal irdiſch, ſondern vom Himmel gefal - len!) Bey der Angabe der Geburtsörter vermiſst Rec. die Beſtimmungen, ob das Foſſil auf Gängen oder La - gern bricht. Hr. Emmerling iſt in dieſem Stücke weitvoll -No. 124. MAY 1795vollſtändiger. Unter den gemengten Foſſilien bemer - ken wir ungern das Saxum ferreum Wall. unter dem Namen Grünſtein, da man jetzt, ziemlich allgemein, eine Gebirgsart aus der Trappformation, die aus Horn - blende und innig gemengtem Feldſpath beſteht, mit dieſem Namen belegt. Die Methode, nach der der Vf. die Arten der gemengten Foſſilien beſtimmt, ſcheint uns auch etwas unbeſtimmt, da die Natur nicht bloſs Baſalt mit Olivin und Baſalt mit Feldſpath oder Kalk - ſpath hervorbringt, ſondern auch dieſe eingewachſe - nen Foſſilien oft zuſammen in einerley Gebirgsart vor - kommen. Wir beſchlieſsen hiemit die Prüfung dieſer reichhaltigen Schrift, welche ihren Vf. als einen ſelbſt - denkenden, arbeitſamen Mineralogen charakteriſirt.

F f 2Berlin,
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Text[Rezension zu:] Widenmann's Handbuch des oryktognostischen Theils der Mineralogie
Author Alexander von Humboldt
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Responsibility Alexander Geyken, ed.; Susanne Haaf, ed.; Bryan Jurish, ed.; Matthias Boenig, ed.; Christian Thomas, ed.; Frank Wiegand, ed.

CLARIN-DNote: Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe

EditionVollständige digitalisierte Ausgabe.

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Bibliographic information [Rezension zu:] Widenmann's Handbuch des oryktognostischen Theils der Mineralogie. Alexander von Humboldt. . I+3 S. 1795. Allgemeine Literatur-Zeitung (2) .

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