PRIMS Full-text transcription (HTML)
Bericht über die zur Bekanntmachung geeigneten Verhandlungen der Königl. Preuſs. Akademie der Wissenschaften zu Berlin.
Aus dem Jahre 1853.Berlin.Gedruckt in der Druckerei der Königlichen Akademie der Wissenschaften.
140

Der vorsitzende Sekretar[ Encke]trug darauf folgende Mittheilung des Hrn. v. Humboldtvor, betreffend einen neuen Versuch über die gröſste Tiefe des Meeres.

Das Problem des Verhältnisses der Erhöhungen der Conti - nente zu den Tiefen des Meeres ist von Laplacein dem 5ten Bande der Mécanique céleste behandelt worden. Es hat die Lösung dessel - ben ihn bei Annahme von mittleren Werthen auf Resultate ge - führt, die ich in einem Mémoire sur le centre de gravité du volume des terres élevées au-dessus du niveau actuel des eaux de la mer im Jahre 1843 mit einer groſsen Zahl wirklicher geodäti - scher Messungen verglichen und zum Theil bestritten habe. Ich habe geglaubt erweisen zu können, daſs die mittlere Höhe der Con - tinente über dem jetzigen Meere als obere Grenze wahrschein - lich nicht viel mehr als 948 Pariser Fuſs1 beträgt, wenn der eben genannte groſse Geometer die mittlere Continental-Höhe mehr als dreimal gröſser, genau zu 3078 Fuſs,2 annahm. Die Masse der Ge - birgsketten ist so gering, daſs z. B. die Kette der Pyrenäen, deren Volum wir mit mehr Sicherheit als das vieler anderen Ketten ange - ben können, auf die ganze Area von Frankreichverstreut, die mitt - lere Höhe des Landes nur um 18 Toisen3 erhöhen würde.

Mehr Sicherheit als diese, theilweise auf Theorien gegründe - ten Betrachtungen gewähren directe Bestimmungen einzelner Maxima von Höhen der Berge und von Tiefen des Oceans. Wenn wir uns die Erde, wie den Mond, ohne eine flüssige Umhüllung denken, so erscheinen uns Bergmassen und Gipfel, ja die ganze Oberfläche der Erde dann erst in ihrer wahren Gestalt. Die neue Bestimmung einer ungeheuren Meerestiefe, welche mir der Oberst Sabinevor wenigen Tagen in einem Briefe aus Woolwichmitge - theilt hat, ist vielleicht würdig die Aufmerksamkeit der Akademie auf sich zu ziehen. Die gröſste Meerestiefe, die bisher erreicht wor - den war, ist die auf der antarctischen Expedition von Sir James Roſs(1)Voyage to the Antarctic Regions Vol. II. p. 382. gemessene zu 4600 engl. fathoms (27600 feet. ) oder 25896 Pariser Fuſs;5 lat. austr. 15° 3′, long. 23° 14′ westl. von Greenwich.

141

Am 30 October 1852 hat Capitän Denhamof the Royal Navy, commanding the Herald, statt in 4600, in einer Tiefe von 7706 fa - thoms (46236 feet), oder 7230 Toisen, oder 43380 Pariser Fuſs,6 erst den Meeresboden (Grund) gefunden. Es wurden besondere Vorsichtsmittel angewandt, um ein genaues Resultat zu erhalten. Der Versuch geschah im südlichen atlantischen Ocean(lat. austr. 36° 49′, long. 37° 6′ westlich von Greenwich). Das Herabsinken des Bleis dauerte 9 Stunden 25 Minuten. Ich erinnere mich, daſs vor 2 Jahren, ebenfalls im südlichen atlantischen Ocean, aber nördlicher und östlicher, der Lieut. Goldsborough, in Diensten der Vereinigten Staaten, auf einer Überfahrt von Rio Janeironach dem Vorgebirge der guten Hoffnungauch tiefe Sonden bis 3100 fathoms oder 18600 feet7 geworfen hatte. (1)Athenaeum 1851 No. 1226 p. 460.

Die Meerestiefe von mehr als 43000 Par. Fuſs,9 welche Cap. Denhamvorigen Herbst erreicht hat, ist fast 17000 Par. Fuſs10 gröſser als die Höhe des Kintschindjinga, des höchsten wohlgemessenen Gipfels des Himalaya-Gebirges, den wir seit meines Freundes, Joseph Hooker's, tibetanischer Reise kennen. Der Kintschindjingahat 4406 Toisen (26438 Par. Fuſs11). Der Gipfel ist also über diesem tiefsten Punkte der Erdoberfläche 11636 Toisen (69816 Par. Fuſs12), etwas über drei geographische Meilen13, erhaben. Auf der Mond - Oberfläche ist in den zwei höchsten Bergen, Dörfel und Leibnitz, dieser Unterschied zwischen dem Maximum der Erhebung und den Mondebenen, sogenannten Meeren, nur 3800 Toisen oder eine geo - graphische Meile14. Die Anschwellung der Äquatorial-Gegend des Erdsphäroids beträgt kaum das Doppelte der eben angegebenen ab - soluten Höhe (11636 Toisen) eines Gipfelpunktes des Kintschin - djingaüber dem niedrigsten jetzt bekannten Punkte des Meeresbo - dens. Der Unterschied der Äquatorial - und Polar-Durchmesser ist nämlich 1718,9 1713,1 geogr. Meilen (jede zu 3807,23 Toisen oder 22843 Par. Fuſs Länge gerechnet)15.

Vergleichungen positiver und negativer Höhen stellten auch schon die alexandrinischen Philosophen an, wie Cleomedes(Cyclica142 Theor, lib. I cap. 10) und Plutarchuns lehren. Der Letztere sagt ausdrücklich im Leben des Aemilius Paulus(cap. 25), wo er der Bergmessung des Olympus durch Xenagorasund der von ihm dort eingegrabenen Inschrift erwähnt: die Geometer glauben, daſs kein Berg höher und kein Meer tiefer als 10 Stadien16 sei.

〈…〉〈…〉

About this transcription

TextMittheilung des Hrn. v. Humboldt [...] betreffend einen neuen Versuch über die größte Tiefe des Meeres
Author Alexander von Humboldt
Extent4 images; 708 tokens; 443 types; 4871 characters
Responsibility Alexander Geyken, ed.; Susanne Haaf, ed.; Bryan Jurish, ed.; Matthias Boenig, ed.; Christian Thomas, ed.; Frank Wiegand, ed.

CLARIN-DNote: Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe

EditionVollständige digitalisierte Ausgabe.

About the source text

Bibliographic information Mittheilung des Hrn. v. Humboldt [...] betreffend einen neuen Versuch über die größte Tiefe des Meeres. Alexander von Humboldt. . Verlag der Königlichen Akademie der Wissenschaften zu BerlinBerlin1853. Bericht über die zur Bekanntmachung geeigneten Verhandlungen der Königl. Preuss. Akademie der Wissenschaften zu Berlin pp. 140-142.

Identification

Physical description

Antiqua

LanguageGerman
ClassificationBerliner Akademiereden/-schriften und andere Reden; ready; avh

Editorial statement

Editorial principles

Publication information

Publisher
  • dta@bbaw.de
  • Deutsches Textarchiv
  • Berlin-Brandenburg Academy of Sciences and Humanities (BBAW)
  • Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW)
  • Jägerstr. 22/23, 10117 BerlinGermany
ImprintBerlin 2019-12-10T09:48:51Z
Identifiers
Availability

Distributed under the Creative Commons Attribution-NonCommercial 3.0 Unported License.

Holding Library
Shelfmark
Bibliographic Record Catalogue link
Terms of use Images served by Deutsches Textarchiv. Access to digitized documents is granted strictly for non-commercial, educational, research, and private purposes only. Please contact the holding library for reproduction requests and other copy-specific information.