Herr von Humboldteröffnete mit den Ab - handlungen, welche er dieſem wichtigen und noch viel zu wenig unterſuchten Gegenſtande gewidmet hat ſei - ne gelehrte Thätigkeit als Mitglied der Berliner Akade - mie der Wiſſenſchaften, von der die Freunde der Na - turlehre ſich einen wohlthätigen Erfolg für das Studium und den Flor dieſer und aller exacter Wiſſenſchaften in unſerm deutſchen Vaterlande verſprechen. Die Schriften der Akademie auf das gegenwärtige und das folgende Jahr werden, wenn ſie endlich erſcheinen, dieſe mit groſser Sorgfalt angeſtellten und mit eben ſo viel Klarheit als Vollſtändigkeit durchgeführten For - ſchungen in ihrem ganzen Umfange enthalten. Dem Leſer hier eine vorläufige Nachricht von denſelben undAnnal. d. Phyſik. B. 24. St. I. J. 1806. St. 9. A2Fragmente aus den Vorleſungen mittheilen zu können, die ihm eine ähnliche Belehrung, wie mir die Lectüre des Ganzen, verſchaffen werden, ſchätze ich mich glück - lich. In Wiſſenſchaften, die ſo raſch vorwärts ſchrei - ten, als in den neueſten Zeiten alle Theile der Naturkun - de, ſcheint das eigne Intereſſe eines gelehrten Vereins zu fordern, daſs das, was jetzt neu und folgereich iſt, nicht erſt dann in das Publicum komme, wenn es den Reiz der Neuheit ganz verloren hat, und wenn andere ſchon der Ideen, oder wohl gar der ganzen Arbeit ſich bemächtigt haben; daher ſelbſt die Mitglieder des fran - zöſiſchen Nationalinſtituts, La Placenicht ausgenom - men, allgemeiner intereſſante Unterſuchungen im Felde der Phyſik durch ziemlich vollſtändige Auszüge vorläufig in das Publicum bringen. Eine in mehr als Einer Hinſicht löbliche Sitte, die mit der für manche Fächer zweck - mäſsigen Einrichtung der Akademieen, daſs die für ih - re Schriften beſtimmten Unterſuchungen nicht eher, als in dieſen vollſtändig gedruckt werden ſollen, meiſten Theils ganz gut beſtehen kann.
In der Einleitung zu ſeinen Abhandlungen macht Herr von Humboldtdarauf aufmerkſam, wie wenig für die phyſikaliſche Erdbeſchreibung, oder vielmehr für die Phyſik der Erde, (Phyſique du Monde,) bis jetzt im Ganzen von reiſenden Naturforſchern geſchehen iſt, weil ſie ſich alle faſt ausſchlieſslich mit den naturbe - ſchreibenden Wiſſenſchaften und mit dem Sammeln be - ſchäftigt, und es vernachläſſigt haben, „ den groſsen „ und ſteten Naturgeſetzen, die ſich in dem raſchen Wech - „ ſel der Erſcheinungen zeigen, und dem Ineinanderwir - „ ken, gleichſam dem Kampfe der entzweiten Natur - „ kräfte, nachzuſpüren. “ „ So leidenſchaftlich “, fügt er hinzu, „ mich auch das Pflanzenſtudium beſchäftigte, ſo „ unbeſchreiblich groſs auch der Genuſs iſt, welchen mir „ der Anblick jener üppig aufſtrebenden und dabei ſo kraft -3 „ vollen Vegetation gewährte, ſo blieb doch mein Haupt - „ augenmerk auf dieſe Unterſuchungen gerichtet. In - „ tenſität des Magnetismus, oder Stärke der Ladung des „ Erdkörpers in verſchiedenen Zonen und Höhen, durch „ die Schwingung<s>zahlen einer polariſirenden Nadel ge - „ meſſen; ſtündliche Veränderungen des magne<ti>ſchen Me - „ ridians; die allgemeinen meteorologiſchen Erſcheinun - „ gen; jährliche, monatliche und ſtündliche mittlere Wär - „ meabnahme der Temperatur in den höhern Luftſchich - „ ten, und Prüfung des Geſetzes, welches dieſe Abnahme „ befolgt; regelmäſsige Ebbe und Fluth des Luftmeers, „ durch die ſtündlichen Barometerveränderungen ange - „ deutet, und unter dem Aequator durch keine Witte - „ rungsveränderung in ihrem Gange geſtört; chemiſche „ und hygroſkopiſche Beſchaffenheit der Atmoſphäre; „ Einwirkung des Sonnenſtandes und der Berghöhen auf „ die electriſche Ladung der Luft; “– dieſe und ähnliche allgemeine Naturerſcheinungen habe ich zum Hauptge - genſtande meiner Reiſebeobachtungen gemacht. – – „ Eine gründliche Bearbeitung dieſer Gattung von Phä - „ nomenen, welche auf groſse Naturgeſetze hinleiten, „ und über die ich mir ſchmeicheln darf neue Verſu - „ che und neue Meſſungen angeſtellt zu haben, iſt in „ dem jetzigen Zeitpunkte vielleicht um ſo wünſchens - „ werther, da die phyſikaliſchen Wiſſenſchaften jetzt „ mehr als je zwiſchen den zwei Extremen, einer klein - „ lichen, oft geiſtloſen Behandlung des Einzelnen, und „ einer gar kühnen, aber willkührlichen und naturwi - „ drigen Behandlung des Allgemeinen ſchwanken. “
Es iſt aus der vorläufigen Anzeige der Werke, wel - che Herr von Humboldtüber ſeine Reiſe heraus ge - ben wird, bekannt, daſs Herr Pronyes übernommen hat, die barometriſchen Höhenmeſſungen, welche die - ſer raſtloſe Beobachter in Amerikaangeſtellt hat, über 500 an der Zahl, nach der Laplace 'ſchen Formel, unterA 24Zuziehung aller Correctionen aufs neue zu berechnen. Dieſer berichtigten Höhenbeſtimmungen bediente ſich Herr von Humboldtbei der folgenden Abhandlung noch nicht. Man iſt daher berechtigt, kleine Unterſchie - de in den Höhen zu erwarten, wie er ſie hier angiebt, und wie ſie in dem Theile ſeiner Reiſe erſcheinen wer - den, der die aſtronomiſchen und phyſikaliſchen Beob - achtungen und Meſſungen enthalten wird. (Annalen, XX, 3<6>3.) In ſo fern mag man die in dieſen Aufſät - zen mitgetheilten Endreſultate, ihrem Zahlwerthe nach, nur für vorläufige Reſultate nehmen.
Doch der Leſer wird begierig ſeyn, Herrn von Humboldtſelbſt zu hören. Gilbert.
Ich wähle zu dem Gegenſtande meiner heutigen und der nächſtfolgenden Vorleſungen, das Geſetz der Wärmeabnahme in der Atmoſphäre, die untere Gränze des beſtändigen Schnees, und die Erſchei - nungen, welche unmittelbar mit dieſer bald niedri - gern bald höhern Schneegränze zuſammen hängen.
Wenn man von den Ufern der Südſeeaus die hohe Andeskettehinauf ſteigt, wenn man z. B. von dem Krokodilreichen Rio de Guayaquilaus, ſich ge - gen den Gipfel des Chimboraçoerhebt, ſo findet man in einem engen Erdraume alle Klimate ſchich - tenweiſe über einander gelagert. In einem Tage ſieht man den Anblick der Natur ſich raſcher und auffallender verändern, als wenn man tauſend geo - graphiſche Meilen weit vom Aequator nordwärts bis gegen die Mündung desSklaven -oder Macken - ziefluſſesreiſete.
5Von der Fläche der Südſeean, bis zu 400 oder 500 Toiſen Höhe, alſo bis zu einer Luftſchicht, in welche die Gipfel des Veſuvsund unſers deutſchen Brockenshinauf reichen, findet man Palmen und Piſanggewächſe. Dieſe Region iſt mit Theophraſten und Muſſaenden, mit roth und gelb blühenden Plu - merien, mit Cäſalpinien und breitlaubigen Heliko - nien geſchmückt. Dieſes iſt das glühende Vater - land des Jaguars, der Affen und der bunt gefiederten Papageien. Weiter aufwärts, unter milderm Him - mel, in angenehmer Kühlung, erſcheinen die baumartigen Farrenkräuter, die tropiſchen Eichen und die Cin<c>honen, welche die wohlthätige Fieber - rinde geben, und von denen zwei Arten, Cincho - na lanceifolia und Cinchona cordifolia, (nach Zeaidentiſch mit C. anguſti<f>olia und C. hirſuta, Florae Peruv.,) ſich faſt bis 1500 Toiſen, oder bis zu Hö - hen erheben, die der des Libanonsoder des Canigouin der Pyrenäenkettegleich ſind. Auf die Region der Chinabäume folgt die der Escallonien und der Zimmt-Wintera. In kalten, ewigen Nebel gehüllt, breiten hier verkrüppelte und durch den Sauerſtoff der Luft verkohlte Stämme ſchirmartig ihre ſparri - gen Zweige aus. Dieſe unfreundlichen Alpenzwi - ſchen 1600 und 2000 Toiſen Höhe, zwiſchen der Höhe des Aetnagipfelsund des Pics von Teneriffa, nennen die Spanier Paramos. Die zwergartigen Bäume aus der Myrtenfamilie hören endlich ganz auf; kräuterartige Alpenpflanzen mit zarter Wolle dicht bedeckt, reichen bis 2100 Toiſen Höhe. 6Dann folgt die öde Grasflur, die in der Ferne gelb - li<c>h leuchtet, und in welcher, am weſtlichen Ab - hange des Chimboraço, heerdenweiſe verwilderte Lamas, und einzeln der kleine kurzbeinige Berglö - we (Felis Puma)*)Dieſer Berglöwe, den ich Felis Puma nennen möch - te, verhält ſich zum gewöhnlichen amerikaniſchen Löwen, zur groſsen aber ungemähnten Felis con - color, wie die Tigerkatzen Felis pardalis und tigri - na zu dem groſsen prächtig gelb gefleckten Tiger der Guyana, und BraſiliensFelis onza. La Conda - minefand die Spur dieſes Berglöwen auf friſch ge - fallenem Schnee am Vulkan des Pichinchaim Junius 1742. (Voyage à l'Equateur, p. 153.) Puma iſt ein Wort der Quichua - oder altperuaniſchen Hofſpra - che. Pumayruna bedeutet: tapfer wie ein Löwe ſeyn; pumaimanani: Muth wie ein Löwe faſſen. Der kleine 18 Zoll hohe, braungelbe Berglöwe des Kö - nigreichs Quitoiſt nicht mit dem Puma des Hernan - der, der wahren Felis discolor, zu verwechſeln. v. Humb. umher ſchwärmen. Wo die Gräſer aufhören, bedecken kryptogamiſche Ge - wächſe, beſonders Iſidien und Leprarien, den nack - ten Trapp-Porphyr. In einer Höhe endlich, welche die des Montblancum einige Toiſen übertrifft, be - ginnt der ewige Schnee.
So ſtellt der Abhang des Gebirges gleichſam die umgekehrte Scale eines botaniſchen Thermometers dar, und der Reiſende, der in den vegetations - und waſſerleeren Wüſten des peruaniſchen Küſtenlan - desnach Stillung ſeines Durſtes und nach Kühlung7 lechzt, ſieht 15000 Fuſs über ſeinem Haupte, auf dem Gipfel der Andes, die groſse Schneedecke aus - gebreitet, welche unter günſtigen Refractionsver - hältniſſen über 50 Seemeilen weit in der Ebene ſichtbar iſt. Dieſer Kontraſt zwiſchen Piſanggewäch - ſen und ewigem Schnee, dieſer Anblick entgegen geſetzter Jahrszeiten, welche gleichzeitig und faſt ſchichtenweiſe in einer Zone über einander liegen, iſt unter dem Aequator um ſo auffallender, als, an keinen Wechſel der Temperatur gewöhnt, der Be - wohner der Ebene dort das Waſſer nie, ſelbſt nicht im Hagel, zu einem feſten Körper erſtarrt ſieht.
Weiter gegen den Pol hin, in der ſo genannten gemäſsigten Zone, macht das Phänomen der beſtän - digen Schneegränze einen analogen, aber minder lebhaften Eindruck. In einem groſsen Theile des Jahrs iſt hier die ganze Erdfläche, Berg und Thal, mit Schnee und Eis bedeckt. Mit wiederkehrender Milde des Frühlings ſcheint der Winter ſtufenweiſe aufwärts zu ziehen. Die Schneedecke erhebt ſich nach und nach am Abhange der Bergkette, bis ſie ſich unveränderlich, am Ende des Sommers, auf einer gewiſſen Höhe erhält. Dieſe Höhe iſt im mitt - lern Europaſchon um mehr als ein Drittel niedri - ger als in den Tropenländern. In höhern Breiten - graden naht ſich die Schneegränze der Erdfläche ſelbſt, und in den nördlichſten Gegenden bleibt ſo - gar die Ebene das ganze Jahr hindurch immerfort mit Schnee und Eis bedeckt.
8Dieſe Erſcheinung, dieſes allmählige Niederſin - ken der untern Gränze des ewigen Schnees, wel - che wir hier im Groſsen geſchildert haben, iſt eine allgemeine und längſt bekannte Thatſache. Sie iſt Folge der Abnahme der Wärme in der obern Luft - region, und der flüchtigſte Beobachter iſt durch ſie auf den Schluſs geleitet worden, daſs unter verſchie - denen Breitengraden Berge von einerlei Höhe mit ſehr ungleichen Theilen ihrer Gipfel in die beſtän - dige Schneezone reichen müſſen.
Bougueriſt unſtreitig der Erſte geweſen, der, in der Einleitung zu ſeinem Werke über die Figur der Erde,*)Figure de la Terre, p. XLV, und vorzüglich p. XLIX und LIII. die verſchiedenen Höhen der untern Schneegränze unterſucht hat. Er beſtimmt ſie un - ter dem Aequator auf 2434 Toiſen, unter dem 28ſten Grade der Breite auf 2100 Toiſen, und in Frankreichund Chiliauf 1500 bis 1600 Toiſen Höhe über dem Meere. Bloſs die erſte Zahl folgte aus Bouguer's eigner Meſſung; die zweite und dritte ſind aus fremden Beobachtungen geſchloſſen, und um ſo unzuverläſſiger, als dieſe Schlüſſe ſich auf Feuillée's Meſſung des Pics von Teneriffagründen; eines Bergs, der nicht nur keinen ewi - gen Schnee hat, ſondern auch um 200 bis 300 Toiſen niedriger iſt, als ihn der Pater Feuillée und Bouguerannehmen. Seit dieſem letztern vortrefflichen Mathematiker ſcheint ſich niemand9 mit der Schneegränze, weder zwiſchen den Wen - dekreiſen, noch in der gemäſsigten Zone ſüdli - cher als der 38ſte Breitengrad, beſchäftigt zu ha - ben. Kirwan's oft nachgedruckte Tafel über die Höhe des ewigen Schnees in den verſchiedenen Erdſtrichen*)An eſtimat. of the temperat. of differ. latitudes. Lond. 1787. Deutſche Ueberſetzung, S. 24. iſt bloſs nach meteorologiſchen Hy - potheſen und nach Bouguer's als wahr angenom - menen Fundamentalzahlen berechnet worden. Nur in den mittlern Breiten von 43 und 46 Graden, in den Pyrenäenund Schweizer Alpen, hat man in neuern Zeiten genaue Beſtimmungen über dieſe wichtige Naturerſcheinung angeſtellt. Sauſſüre, Pictet, Piniund Ramondſind vorzüglich dar - auf aufmerkſam geweſen, und alle klagen mit Recht, daſs es an vervielfältigten Meſſungen über die Schneegränze unter andern Himmelsſtrichen fehlt.
Ich habe bei meiner Reiſe nach den Tropenlän - dern des neuen WelttheilsGelegenheit gehabt, die Höhe dieſer Schneegränze unter ſolchen Breitengra - den zu meſſen, unter welchen ſie noch nie unmit - telbar beobachtet worden war. Alle Berechnun - gen, welche die Mathematiker über die Krümmung der Schneelinie anſtellen könnten, würden vergeb - lich ſeyn, wenn nicht mehrere und genauer be - ſtimmte feſte Punkte angegeben werden, durch welche ſie gelegt werden ſoll. Ich glaube daher,10 daſs es ein für die Naturkunde nicht ganz unfrucht - bares Unternehmen ſeyn wird, wenn ich in zwei Abhandlungen das Phänomen des ewigen Schnees, in ſeiner ganzen Allgemeinheit von neuem betrach - te, und dadurch die glückliche Anwendung einer der Interpolationsmethoden auf dieſen Gegenſtand vorbereite. Es iſt die Pflicht der Phyſik, da, wo es auf conſtruirbare Begriffe ankommt, der Mathe - matik durch Ausmittelung einer groſsen Anzahl ge - nauer Thatſachen, brauchbare Materialien zur Be - rechnung der Naturgeſetze darzubieten.
Ich werde in der erſten Abhandlung die progreſ - ſive Wärme-Abnahme in den Luftſchichten, als Haupturſache des ewigen Schnees, und die Localitä - ten beſtimmen, welche auf dieſe Progreſſion einwir - ken. In der zweiten Abhandlung werde ich die Hö - he betrachten, in welcher ſich die Schneelinie in den verſchiedenen Erdſtrichen erhält, die meteorologi - ſchen Phänomene aufzählen, welche mit dieſer Hö - he unmittelbar zuſammen hängen, und endlich zei - gen, welchen Nutzen die Phyſiker aus der richti - gen Kenntniſs der untern Schneegränze für die Be - ſtimmung der mittlern Temperatur der Ebene für Erweiterung der Gebirgskunde, für ſchnelle Meſ - ſung der Berggipfel, und für die Anfertigung mi - neralogiſcher Karten ziehen können.
11Um die Erzeugung der Wärme auf unſerm Pla - neten und das Geſetz der abnehmenden Wärme aus einem allgemeinen Geſichtspunkte zu betrachten, denke man ſich zuerſt ein Sphäroid gasförmiger, und alſo elaſtiſcher Flüſſigkeiten, welche über ein - ander geſchichtet ſind, ohne einen dichten Kern einzuſchlieſsen. Man ſtelle ſich die Materie in ei - nem Zuſtande vor, den La Placebei der er - ſten Bildung der Planeten voraus ſetzt, oder wie ihn Herſchelin den dunſtförmigen kernloſen Maſſen annimmt, welche er planetariſche Nebel - flecke nennt. Wäre der Halbmeſſer dieſes Sphä - roids gasförmiger Flüſſigkeiten der Höhe unſrer At - moſphäre gleich, ſo würden die Sonnenſtrahlen keine andere Wärme darin erregen, als die, welche von der Verminderung oder Verſchluckung des Lichts (extinction de la lumière) herrührt. Das Geſetz dieſer Lichtabnahme iſt in La Place's Ex - poſition du Syſtème du Monde, t. 1, p. 157, ent - wickelt, und in meinem Gemählde der Tropen - welt, welches gegenwärtig zu Parisgedruckt wird, befindet ſich eine Tafel, welche Herr Biotüber dieſes Phänomen berechnet hat. So wie die Licht - abnahme in den dichtern, dem Centrum des frei ſchwebenden Luftſphäroids nähern Schichten am ſtärkſten iſt, ſo wird, nach eben den Hypotheſen,12 auch dort eine etwas gröſsere Erwärmung, als in den obern Regionen Statt finden. Da aber alle Luftſchichten als rein-durchſichtig angenommen werden, ſo kann dieſer Unterſchied der Erwärmung, wie die Erwärmung ſelbſt, nur überaus geringe ſeyn. Betrachtet man eine einzelne Luftſchicht beſonders, z. B. eine, die dem Centrum nahe iſt, ſo wird zwar in dieſer Schicht höherer und niedrigerer Sonnen - ſtand klimatiſche Temperaturveränderungen her - vor bringen, je nachdem die Sonnenſtrahlen dieſe einzelne Luftſchicht ganz oder nur theilweiſe durch - ſtreichen; dieſe Temperaturveränderungen ſind aber bloſse Differentiale von der ohne dies ſchon ſo unmerklichen abſoluten Wärme des Lichtverſchlu - ckenden Luftraums. Wir werden in der Folge ſe - hen, daſs eine ſolche Hypotheſe keinesweges ſpie - lend erſonnen iſt, ſondern daſs die oberſten Regio - nen unſrer Atmoſphäre ſich wirklich faſt in einem ähnlichen Zuſtande befinden.
Denkt man ſich das in dem Himmelsraume frei ſchwebende ſphäroidiſche Gasgemenge vergröſsert, z. B. von gleichem Durchmeſſer als die Erde, ſo wird ſich im[Innern] derſelben, durch den Druck der elaſtiſchen Schichten ſelbſt, eine reine Luft - maſſe bilden, in welcher Metalle ſich ſchwim - mend erhalten können. Ob Sauerſtoff und Stick - ſtoff bei dieſer ungeheuern Compreſſion noch gas - förmig bleiben, oder ob ſie, wie die atomiſtiſchen Phyſiker ſagen, mit Auspreſſung eines Theils ihrer ſpecifiſchen Wärme, zu einem tropfbaren, oder gar zu einem feſten Gemiſche zuſammen treten würden,13 das iſt eine Frage, welche wir hier nicht zu erör - tern haben. Nach jeder dieſer Vorſtellungsarten muſs man das Innere eines ſo groſsen Sphäroids ela - ſtiſcher Flüſſigkeiten als einen durchſichtigen, aber überaus dichten Kern betrachten; und da in dieſem das Spiel ſtrahlender Wärme doch bemerkbar ſeyn würde, ſo gehen wir lieber von einer nun nicht mehr einfachen Hypotheſe, unmittelbar zur Wirk - lichkeit über.
Auf unſerm Planeten ſind, nach ſeinem jetzigen Zuſtande, Materien auf einander gelagert, welche ſich in drei verſchiedenen Zuſtänden der Cohärenz befinden. Gasförmige Schichten des Luftkreiſes ruhen, (wenigſtens an dem gröſsten Theile der Erdfläche,) auf tropfbar-flüſſigen Schichten der Meere, und dieſe bedecken den feſten Erdkörper. Aus dieſer Lagerung, aus dieſer ſcharfen und ge - genſeitigen Begränzung ſo ungleich dichter und un - gleich verſchiebbarer Materien, entſteht eine un - gleiche Vertheilung der Temperatur; das ewige Streben in ihnen nach Wiederherſtellung des Gleich - gewichts erhält Bewegung und inneres regſames Le - ben in der Natur.
Iſt, wie auf unſerm Planeten, ein feſter Kern mit elaſtiſchen Gasgemengen bis zu einer unbekann - ten Gränze umfloſſen, ſo giebt es in den obern Luft - regionen drei, vielleicht ſelbſt vier Urſachen der Erwärmung.
Die erſte iſt Folge der geringen Lichtverſchlu - ckung, welche die Sonnenſtrahlen bei ihrem Durch -14 gange durch die Luftſchichten leiden. Dieſe Urſa - che wird um ſo wirkſamer ſeyn, je durchſichtiger das Medium ſelbſt, und je reiner und gleichmäſsiger das Waſſer in der Luft aufgelöſt iſt. Wer oft ho - he Berggipfel beſtiegen hat, findet ein untrügliches Merkmahl von der unbeſchreiblichen Durchſichtig - keit der Bergluft, in der Nähe in welcher durch dieſe Bergluft entfernte Gegenſtände erſcheinen. Als ich am 26ſten Mai 1802 die zweite Reiſe nach dem Krater des Pichincha, weſtlich von der Stadt Quito, unternahm, war ich von mehrern Perſonen, welche auf Maulthieren ritten, und von vielen india - niſchen Fuſsboten, welche Inſtrumente trugen, begleitet. Wir waren meiſt alle mit der Art wei - ſser Mäntel, welche die Einwohner Ponchos nen - nen, bedeckt. Der Vulkan iſt bei dem Dorfe Chilloin der groſsen Ebene Cachapamba, welche ich 1285 Toiſen über der Meeresfläche erhaben gefunden habe, in ſeiner ganzen zertrümmerten Geſtalt ſichtbar. Das Wetter war ſo heiter, und die Berg - luft ſo durchſichtig, daſs unſre Freunde in Chillomit bloſsen Augen jeden einzelnen Reiter erken - nen konnten. Die weiſsen Ponchos leuchteten ge - gen den ſchwarzen Baſaltporphyr des Vulkans. Aus einer trigonometriſchen Meſſung, welche ich in der Ebene Cachapambaangeſtellt hatte, kannte ich die Entfernung der Felsklippen, auf denen wir geſehen wurden; ſie betrug 14022 Toiſen, oder faſt 4 geographiſche Meilen von Chillo. In dieſer Entfernung erſcheint ein Menſch unter einem Win -15 kel von 13″; ein Geſichtswinkel, der für ein nicht brennendes und bei Tage geſehenes Objekt über - aus geringe iſt. Auf dem Antiſana, einem der höch - ſten Gipfel der Andeskette, öſtlich von der Stadt Quito, in einer Höhe von 16638 Fuſs, unterſchied ich bei heiterm Sonnenſcheine, und reiner Bergluft, Kopf und Flügel des Kundurs, (Vultur gryphus,) in einer Entfernung, bei welcher ſich der ganze Vo - gel gewiſs unter einem noch kleinern Winkel als 13″; darſtellte. In der Ebene erlaubt die Schwä - chung der Lichtſtrahlen beim Durchgange durch ein dichteres Medium nie, kleine Gegenſtände in ſo be - trächtlichen Entfernungen zu erkennen. Die un - begreifliche, oft ſchreckende Nähe, mit der ſich bei etwas feuchter, aber heiterer Luft, plötzlich ho - he Gebirge, beſonders Schneealpen, dem Auge zeigen, beweiſt ebenfalls, welcher Durchſichtigkeit die obern Luftſchichten fähig ſind. Andere Beweiſe könnte man von den cyanometriſchen Erſcheinun - gen hernehmen. Die Schwärze der Himmelsbläue, welche auf der hohen Andeskette46° beträgt, wäh - rend ich ſie an den Ufern der Südſeekaum 24° ſchätzte, zeugt für die ungehinderte Leichtigkeit, mit der die Sonnenſtrahlen durch die obern Luft - regionen hindurch gehen. Bei einer ſo geringen Abſorption von Licht kann demnach die Wärme, welche die der Erde zuſtrömenden Sonnenſtrahlen in 3000 bis 4000 Toiſen Höhe über der Meeresflä - che erregen, nur äuſserſt geringe ſeyn; ſey es, daſs man die Sonnenſtrahlen ſelbſt als warm, oder, mit16 de Lüc, als Wärme aus der Luft entwickelnd, oder mit Thomſon, nach Herſchel's neuerlichſt ſehr zweifelhaft gemachten Verſuchen, als von ſtrahlender Wärme begleitet, annehme.
Die zweite und ungleich wirkſamere Urſache der Wärme in den obern Schichten des groſsen Luft - meers iſt der Strom erwärmter Gasarten, (courant aſcendant,) welcher immerfort von dem feſten, dunkel gefärbten, und deshalb in ſeiner Oberfläche erhitzten Erdkerne aufſteigt. Mit den Wirkungen dieſes Luftſtroms hängen die wichtigſten meteorolo - giſchen Erſcheinungen, z. B. das Auflöſen der Wol - ken, ihr Steigen über erwärmten Ebenen, das Nichtregnen in den pflanzenloſen Wüſten zwiſchen den Wendekreiſen, und das Spiel der wechſelnden See - und Landwinde zuſammen. Ohne dieſen auf - ſteigenden Luftſtrom würden die Höhen des Mont - blancund des Chimboraçozu jeder Jahreszeit, we - gen fürchterlicher Kälte, unzugänglich ſeyn; ohne ihn würde das Verhältniſs von Sauerſtoff und Stick - ſtoff in der obern Atmoſphäre ganz verſchieden von dem ſeyn, welches man in den untern Luftſchichten bemerkt. Dieſe vertikalen Winde haben bisweilen einen nachtheiligen Einfluſs auf die Genauigkeit ba - rometriſcher Höhenmeſſungen, wie Herr Ra - mond in ſeinem Mémoire über die Coefficienten der de la Place 'ſchen Barometerformel ſchön entwickelt hat. In der Höhe des Col du Géant, (1763t,) wurde dieſer Einfluſs in Sauſſüre 's Beobachtun - gen noch ſehr bemerkbar.
Ob17Ob neben der Fortbewegung der Theile, oder Strömung, welche in jeder erwärmten Flüſſigkeit entſtehen muſs, noch eine Mittheilung oder Leitung der Wärme Statt findet, und ob dieſe Leitung für ſich allein die Temperatur der obern Regionen der Atmoſphäre zu erhöhen im Stande wäre, iſt ſeit den Verſuchen des Grafen von Rumford, Dal - ton's und anderer engliſcher und deutſcher Phy - ſiker über die wärmeleitende Kraft der Flüſſigkeiten, zweifelhaft geworden. Auch iſt glücklicher Weiſe dieſe Frage für die Meteorologie von minderer Wich - tigkeit, da dieſe Mittheilung von den Wirkungen der Strömung nur in den ſeltenen Fällen unterſchie - den werden kann, wenn die wärmere Luftſchicht über der kältern liegt und herabwärts wärmen ſoll. Winde, welche in einer groſsen Höhe, aus den dem Aequator nahen Gegenden in die nördlichern bla - ſen, könnten allerdings eine ſolche faſt unnatürlich ſcheinende Lage ungleich erwärmter Luftſchichten verurſachen. Als ein Beiſpiel davon kann man die warme Luftſtrömung betrachten, welche immer - fort in den obern Regionen vom Aequator aus, ge - gen die Pole hin gerichtet zu ſeyn ſcheint, und wel - che in Verbindung mit der Rotation der Erde, nach La Place's ſinnreicher Theorie, unten Oſt - und oben Weſtwinde in den Tropenländern erregt.
Eine vierte Urſache der Wärme in den höhern Regionen der Atmoſphäre iſt die ſtrahlende Wär - me, welche der von Luft umfloſſene, und von der Sonne erhitzte Erdball ſelbſt, nach allen Richtun -Annal. d. Phyſik. B, 24. St. 1. J. 1806. St. 9. B18gen ausſendet. Nach der Natur und Farbe der Erd - oberfläche iſt die Menge dieſer ſtrahlenden Wärme verſchieden. Sie iſt anders in Thonſchiefer - und in Grauwackenſchiefer-Gebirgen, anders auf Kalk - ſtein und in Kreidehügeln. Man findet ſie gröſser über dem feſten Lande, als über dem Meere, wel - ches einen Theil des Sonnenlichtes, bis zu einer gewiſſen Tiefe, frei durchläſst, und ſeiner Flüſſig - keit und Verdampfbarkeit wegen, keiner beträcht - lichen Erwärmung fähig iſt. Sie muſs ſtärker auf vegetationsleeren, als auf waldigen und dabei feuch - ten Ebenen ſeyn. Das plötzliche Steigen eines Thermometers beim Durchgange eines Gewölks durch das Zenith des Beobachters beweiſt, wie be - trächtlich die Wirkung der von der Erde ausgehen - den Wärmeſtrahlung, wenigſtens noch in 500 bis 600 Toiſen Höhe iſt. Deſswegen ſcheint auch die Sommerhitze dann am drückendſten, wenn der Him - mel mit Gewölk bedeckt iſt, und die ſtrahlende Wärme des Erdkörpers auf denſelben zurück gewor - fen wird. Schon in den Problemen des Ariſtote - les, in der 25ſten Section,*) Ariſtot.Opera omnia, Ed. Caſaub., T. II, p. 458. wird eine ganz ähnli - che Erklärung dieſer Naturerſcheinung gegeben. Die Dunſthülle, heiſst es daſelbſt, hindert die Wär - me, von der Erde zu entweichen. Wenn man dieſe Stelle mit einer andern ſehr merkwürdigen im er - ſten Buche der Meteorologica**)Meteorologica, l, 1, c. 3; l, c., p. 327. zuſammen hält,19 ſo erkennt man, daſs der alles ahndende Stagirite neben ſeiner Auflöſungstheorie auch recht deutliche Begriffe von der Zerſtreuung ſtrahlender Wärme, und von dem Einfluſſe der letztern auf die Höhe der Wolkenſchichten hatte.
Die Entwickelung der genannten vier Urſachen: (der Abſorption des Lichtes in den dichtern oder dünnern Luftſchichten, des Aufſteigens der erwärm - ten gasförmigen Flüſſigkeiten, der Mittheilung durch Leitung, und der vom feſten Erdkörper aus - gehenden ſtrahlenden Wärme,) erklärt zugleich von ſelbſt, warum die Temperatur der Luft abneh - men muſs, ſo wie man ſich von dem feſten planeta - riſchen Kerne entfernt. Die Wärme entbindende Lichtverſchluckung, (extinction de la lumière) ab - gerechnet, ſind die übrigen Urſachen von der Art, daſs man den von der Sonne erleuchteten Erdball gleichſam ſelbſt als die Quelle der Wärme betrach - ten kann. Je mehr man ſich alſo der Oberfläche des Luftoceans nähert, (falls er anders begrenzt und eine Oberfläche deſſelben wellenſchlagend vorhanden iſt;) deſto mehr entfernt man ſich von dem Wär - me-ſtrahlenden und Luftſtröme-erregenden Kerne. Wärme und Feuchtigkeit nehmen in den obern Re - gionen ab, dagegen nimmt die Intenſität der electri - ſchen Spannung daſelbſt zu.
Das Geſetz der Wärmeabnahme in der Atmoſphä - re iſt eins der wichtigſten phyſikaliſchen Probleme, welches Sauſſürezuerſt praktiſch zu unterſu -B220chen angefangen hat, das aber noch weit von ſeiner vollſtändigen Auflöſung entfernt iſt. Dieſes Pro - blem hat den auffallendſten Einfluſs, nicht bloſs auf alle Betrachtungen über klimatiſche Verhält - niſſe, über Geographie der Pflanzen und Kultur der - ſelben, ſondern auch auf die Formeln barometri - ſcher Höhenmeſſungen, und auf die ſchwierige Be - rechnung der aſtronomiſchen Refractionen, wenn die beobachteten Höhenwinkel der Geſtirne kleiner als 10° ſind. Die Wärmeabnahme der Atmoſphäre kann entweder in einer gewiſſen Zeitepoche, z. B. an einem heitern Tage, betrachtet werden, oder man beſtimmt ihr Geſetz nach dem Zuſtande der mittlern jährlichen Temperatur ungleich erhabener Luftſchichten. Die zweite Methode könnte ihrer Natur nach allerdings intereſſantere und ſicherere Reſultate, als die erſte geben, wenn die Orte der Beobachtung nicht gar zu entfernt von einander liegen, und die Erhitzung der Gebirgsebenen nicht dabei einwirkt. Da man ſich aber auf aeroſtati - ſchen Reiſen höher, als die höchſten Gebirge der Erde, erheben kann; da wir ferner die mittlere Temperatur, aus vielen täglichen Thermometer - beobachtungen gezogen, von keinem höhern Orte, als von dem Hoſpital des St. Gotthards, alſo aus 1065 Toiſen Höhe beſitzen; und da endlich die höchſten von Menſchen fortwährend bewohnten Ge - genden auf unſerm Erdkörper in Europa, (das Klo - ſter auf dem groſsen St. Bernhard, ) nur 1246 Toi -21 ſen, und in Amerika, (die Meierei Antiſana, ) 2110 Toiſen hoch liegen: – ſo wird die erſte Beobach - tungsmethode auch dann noch wichtig bleiben, wenn die wiſſenſchaftliche Menſchenkultur auf ho - hen Gebirgen in irgend einem Lande beträchtlich zunehmen ſollte.
Der unſterbliche Lamberthat in ſeiner Py - rometrie, und früher noch in den Schriften unſrer Akademie für das Jahr 1772, das Problem der Wär - meabnahme theoretiſch unterſucht. Er ſetzt feſt, daſs bis zur Höhe des Brockens1° R. Wärmeabnah - me zu 52 Toiſen, vom Brockenbis zur Höhe des Aetnazu 70 Toiſen, und höher hinauf zu 84 Toi - ſen Höhenunterſchied gehöre. Diejenigen, wel - che dieſe Annahme beſtritten haben, ſcheinen zu vergeſſen, daſs dieſer tiefſinnige Mathematiker bloſs die Wirkung der ſtrahlenden Wärme, die er das Aufſteigen des ſpecifiſch leichtern Wärmeſtoffs nennt, in Anſchlag bringen wollte.
Sauſſürezieht aus[ſeinen] in denſchweizerund italiäniſchen Gebirgenangeſtellten Beobachtun - gen den Schluſs, daſs die Wärmeabnahme eine arith - metiſche Progreſſion befolge, und daſs in der mitt - lern Breite von 44 bis 46°, ein Höhenunterſchied von 100 Toiſen im Sommer, und von 150 Toiſen im Winter, eine Temperaturveränderung von ei - nem Grade des Reaumür 'ſchen Thermometers be - gründe. Bei Sauſſüre 's Beſteigung des Aetnaim22 Jahre 1773 fanden ſich 114t, bei der Reiſe nach dem Gipfel des Montblancaber nur 90t,8 für 1° R.
Das Geſetz der Wärmeabnahme im Winter iſt, bei dem Mangel an genauen Beobachtungen, unſiche - rer, als das Geſetz für den Sommer; doch ſcheinen mehrere Erfahrungen zu lehren, daſs die Winter - kälte der obern Luftregionen geringer iſt, als man es nach der im Sommer bemerkten ſchnellen Wär - meabnahme vermuthen ſollte. Wäre dieſe Vermin - derung der Temperatur in allen Jahreſzeiten dieſel - be, ſo müſste z. B. auf dem Kloſter des St. Bern - hardsdas Thermometer jedes Mahl auf − 20° her - ab ſinken, wenn es an der Ebene auf − 5° ſteht; und doch ſind dieſe ſehr tiefen Thermometerſtände auf hohen Bergen nicht ſehr häufig. Nur im Früh - jahre, wenn der Schnee in den tiefen Thälern be - reits geſchmolzen iſt, und noch die hohen Alpen- gipfel bedeckt, iſt der Wärmeunterſchied zwiſchen der Ebene und dem Gebirge ſo auffallend groſs, daſs man dann ſtatt 150 Toiſen, bisweilen nur 10 bis 27 Toiſen Höhenunterſchied auf 1° R. rechnen kann. Als ich mich im Monat Mai des verfloſſenen Jahres mit Herrn Gay-Luſſac5 Tage in dem Hoſpice des Mont-Cenisaufhielt, um daſelbſt ei - nige Verſuche über die magnetiſchen Schwingungen und die chemiſche Beſchaffenheit der Bergluft anzu - ſtellen, ſahen wir das Thermometer ununterbro - chen 12 bis 15° tiefer, als in Lanslebourg, ob - gleich der Ho<¨>henunterſchied beider Orte kaum 32423 Toiſen beträgt. Die Wärmeabnahme muſs daher im Winter nur in Zeiten gemeſſen werden, wenn die tiefern Regionen noch mit Schnee bedeckt ſind. Und zu einer ſolchen Zeit iſt ſie langſamer als im Sommer, nicht bloſs, weil vielleicht die hohen Schichten der Aequatorialluft dann ſchneller gegen die Pole hinſtrömen, und unſre obere Atmoſphäre erwärmen, ſondern auch, (und das iſt wohl der vor - züglichſte Grund,) weil die Erdoberfläche in unſern Klimaten von den ſchiefern Sonnenſtrahlen getrof - fen, im Winter wenig erwärmte Luft, und faſt gar keine ſtrahlende Wärme in die höhern Regionen ſchickt. Der Temperaturunterſchied zwiſchen die - ſen und den untern Luftſchichten iſt dann, eben deſs - halb, geringer als im Sommer, indem dann die ganze Atmoſphäre ſich dem Zuſtande des oben betrachteten kernloſen Luftſphäroides naht. Der Erdball kann, wo er in Schnee gehüllt iſt, nur wenig auf die na - hen Luftſchichten wirken. Wo ihn Waſſer bedeckt, oder wo er den Winter über, (wie im ſüdlichen Europa, ) ſchneelos bleibt, da iſt ſein wärmender Einfluſs kein anderer, als der, welcher durch die, jedem Planeten eigenthümliche Temperatur begrün - det wird. Die langſamere Wärmeabnahme im Win - ter läſst ſich daher aus theoretiſchen Gründen leicht einſehen. Daſs die aſtronomiſche Strahlen - brechung, ſelbſt nach Correction von Luftelaſtici - tät und Temperatur, bei heitern Wintertagen ſtärker als bei heitern Sommertagen gefunden wird,24 iſt auch Folge dieſer langſamern Wärmeabnahme im Winter. Wie viel dieſe letztere aber betrage, ob Sauſſüre 's Vermuthung von 150 Toiſen für 1° R. richtig ſey, das müſſen erſt vervielfältigte Beob - achtungen, beſonders aeroſtatiſche Winterreiſen auf - klären.
Meine eignen Beobachtungen in heiſsen Klima - ten weichen etwas von den Sauſſüre 'ſchen Angaben der Wärmeabnahme im Sommer ab, ſtimmen aber, für ſich betrachtet, ſehr ſchön mit einander über - ein. Die vortheilhafteſten Fälle ſind die, wenn man ſich auf einem iſolirt ſtehenden Berge erhebt, und wenn die Höhe ſelbſt ſo beträchtlich iſt, daſs ein kleiner Fehler in dem bemerkten Unterſchiede der Temperatur zweier Stationen den Quotienten we - nig verändert. Sind die Berge von geringer Höhe, z. B. nur 400 bis 500 Toiſen über dem Meere er - haben, ſind die Oerter der correſpondirenden Beob - achtungen ſehr entfernt, hat das Gebirge eine be - trächtliche Maſſe oder gar auf ſeiner Kuppe eine weite Ebene, in der die ſtrahlende Wärme wirkſam wird; ſo iſt dem Verſuche wenig zu trauen. Eben wegen dieſer lokalen Schwierigkeit kann ich, trotz meiner vielen Reiſen in der Andesketteund an - dern hohen Gebirgen, doch nur eine geringe Zahl von Beobachtungen auswählen, die zu ſichern Re - ſultaten führen.
[Herr von Humboldttheilt dieſe Beobach - tungen in allem dem Detail mit, welches zur Beur -25 theilung des Reſultats in jedem einzelnen Falle zu wiſſen nöthig iſt. Jeden ſtörenden Einfluſs, Wind, Wärmeſtrahlung, Seeluft und andere, zieht er, ſo weit ſie ſich beobachten lieſsen, ſorgfältig zu Rathe, und hierdurch wird dieſer Auszug aus ſeinen Beob - achtungsregiſtern nicht wenig belehrend. Als ein Beiſpiel der Behandlung mag hier eine einzige ſei - ner Beobachtungen ſtehen, nämlich die auf der ho - hen Bergſpitze bei Caraccasan der Nordküſte des ſüdlichen Amerika. G.]
Den 1ſten Januar 1800 beſtiegen wir, Herr Bonplandund ich, den groſsen Sattelberg von Caraccas, la Sillaoder Cerro de Avilage - nannt; ein ungeheures Glimmerſchiefergebirge, welches den Seefahrern in 30 bis 35 Seemeilen Ent - fernung, die nördlichen Küſten von Südamerika, und die Lage des Hafens von La Guayrakennt - lich macht. Auſser der mit ewigem Schnee bedeck - ten Sierra de Santa Martha, öſtlich von Carthagena de Indias, giebt es an der ganzen Küſte der Terra Firmakein höheres Gebirge als die Silla. Das Thermometer, nahe an dem berufenen fürch - terlichen Abſturze gegen Caravalleda, (einem faſt ſenkrechten Abgrunde von 9800 Fuſs,) zeigte 11° R. In der Guayra, am Meeresufer, war, nach der Be - ſtimmung des Don Joſeph Herera, die gleichzeitige Temperatur 22°. Höhe des Bergs nach meiner ba - rometriſchen Meſſung, (die trigonometriſche habe ich noch nicht Zeit gehabt zu berechnen,) wenig -26 ſtens 1336 Toiſen. Alſo Wärmeabnahme 121t,4 auf 1° R. Wind, Nordoſt, vom nahen Meere her; alſo ſehr erkältete Luftſchichten zuführend. Das Reſultat ſcheint zu beſtätigen, was ſo eben von der Wirkung des wenig Wärme-ſtrahlenden Oceans be - merkt wurde. Die Wärmeabnahme muſs etwas be - ſchleunigt ſcheinen, wenn man die tiefe oder un - tere Landluft mit hoher Seeluft vergleicht. Doch iſt das Reſultat nur um 3 Toiſen von meiner Beob - achtung auf dem Pic von Teneriffaverſchieden. Breite der Silla de Caraccas10° 37′ nördlich. – Mit dieſer Wärmeabnahme von 121 Toiſen auf 1° R. ſtimmt ziemlich genau eine Beobachtung überein, welche ich auf einer Fuſsreiſe von Caraccasnach dem Hafen La Guayragemacht habe. Ich erſtieg das Fort de la Cuchilla, welches faſt in der Höhe der ſchleſiſchen Schneekoppe, am Gebirge Avila, zur Beſchützung der Stadt Caraccasange - legt iſt. Höhe 766 Toiſen. Abends, Thermome - terſtand 15°,2; unten an der Küſte 22°. Seewind. Wärmeabnahme 114,1 Toiſen. – Berechnet man die Wärmeabnahme auf der Sillanicht nach Gegen - beobachtungen in der Ebene, ſondern nach den in dem Thale von Caraccasangeſtellten, (welches ſchon 435 Toiſen über der Meeresfläche erhaben iſt,) ſo erhält man ein gar zu kleines Reſultat. Wir werden in der Folge ſehen, daſs auch in der Andes - kettedie Wärmeabnahme ſtets ſchneller erſcheint, wenn man die Luftſchichten hoher Gebirgsebenen27 mit denen der Berggipfel vergleicht. Dieſe Gebirgs - ebenen oder engen Thäler, wie das von Caraccas, erhitzen ſich nämlich um Mittag, und ihre Tem - peratur iſt dann in einem Theile des Tages höher, als ſie nach der ſenkrechten Höhe des Orts ſeyn ſollte. In der Stadt Caraccasſtand das Thermome - ter auf 19°, während es auf der Silla11° zeigte. Hieraus folgt eine Wärmeabnahme von 112,6 Toi - ſen auf 1° R. ſtatt 121 Toiſen, welche dieſelbe Be - obachtung gab, wenn man ſie mit der in der Ebene des Meeres bemerkten Temperatur verglich, und ſtatt 118 Toiſen, welche meine Beobachtungen auf dem Pic de Teydegaben. – – –
[In der folgenden Tafel ſind alle Beobachtungen des Herrn von Humboldt, [ſammt ein Paar fremden,] welche er für zuverläſſig anerkennt, und die Reſultate, auf die ſie führen, zuſammen geſtellt. Ich habe in den Anmerkungen einige der Hauptumſtände aus dem hier übergangenen Detail der Beobachtungen, welches zum Verſtändniſſe und zur Beurtheilung derſelben nöthig iſt, hinzu gefügt. G.]
28-29| Name der Orte. | Geographiſche Breite. | Höhe über dem Meere. | Thermometerſt. | Wärme - unterſchied. | Wärmeabnah - me oder Hö - henverände - rung für 1° R. Wärme. | Beobachter. | |
| oben. | imNiveaudes Meers. | ||||||
| Pic von Teneriffa | 28° 17′ n. | 1901t | 2°,2 R. | 18°,3 R. | 16°,1 R | 118t[?] ,3 | Ht.Jun. 22. 1799 1)Vergl. Annalen, XVI, 394, und IV, 144) Der Wind war weſtlich, führte alſo keine erhitzte Luft der nahen afrikaniſchen Wüſtenherbei, wie das der Fall war, als Labillardiereden 17ten Oct. 1791 am Rande des Kraters bei Südſüdoſtwind, das Thermometer auf 15° und kaum 7°,5 niedriger als in Santa Cruzſtehen ſah. Beobachtungen in Santa Cruzgeben die Wärmeabnahme um 21 Toiſen klei - ner, weil hier das Thermometer wegen der Nähe wärmeſtrahlender Felsmaſſen immer 3 bis 4° höher als in der Orotavaim Niveau des Meeres ſteht. G. 1) |
| 9,3 | 24°,5 | 15,2 | 125,3 | LamanonAug. 24. 1785 | |||
| Cofre de Perote | 19 29 n. | 2066 | 1,7 | 19,4 | 17,7 | 116,3 | Ht.Febr. 7. 1804 2)Dieſe beiden mexikaniſchen Beobachtungen er - klärt Hr. von Humboldtfür vorzüglich ſicher,da ſie auf ſchroffen thurmähnlichen Bergen ange - ſtellt wurden, und die verglichenen Luftſchichten faſt ſenkrecht über einander lagen. Ein heftiger nördlicher Seewind erniedrigte bei der erſten die Temperatur der obern Luftſchicht ein wenig. G. 2) |
| Nevada de Toluca | 19 6 n. | 2364 | 3,5 | 22 | 18,5 | 127,8 | Ht.Sept. 29. 1803 2) 2) |
| Silla de Caraccas | 10 37 n. | 1336 | 11 | 22 | 11 | 121,4 | Ht.Jan. 1. 1801 |
| Fuerta de la Cuchilla | 10 33 n. | 776 | 15,2 | 22 | 6,8 | 114,1 | Ht. |
| Guadaloupe | 4 36 n. | 1646 | 8,5 | 22 | 12 | 137* | Ht.Jul. 25. 1801 3)Zwei berühmte Wallfahrtskapellen auf der ſteilen Felswand der Andeskette, öſtlich von St. Fé de Bogota. Die Thermometerſtände in der Ebene des Meeres beruhen auf der Erfahrung, daſs ſie um die - ſe Jahrszeit ſich dort um keine 2° ändern. G. 3) |
| Montſerrate | 4 36 n. | 1692 | 10 | 22 | 13,5 | 124,6 | Ht.Aug. 15. 1801 3) 3) |
| Gipfel des Pichincha | 0 14 ſ. | 2415 | 3 | 22 | 19 | 130,9 | Ht.Apr. 14. 1802 4)Beide Gipfel ſtehen am weſtlichen Rande der An - deskette, auf dem lang geſtreckten mit einzelnen grotesken Klippen beſetzten Gebirgsrücken des Pi - chincha, am ſchauderhaft jähen Abſturze nach den Ebenen an der Südſee. Der höchſte Gipfel, ( Ru - cu-Pichincha, ) enthält den Krater. Beide Tage waren überaus heiter und ſchön. Bei der mit einem * bezeichneten Beobachtung bemerkt Herr von Humboldt, daſs in dieſer Zone damahls ein Irr - thum von 6° F., (2⅔° R.,) in der [bloſs geſchloſ - ſenen?] Temperatur an der Meeresküſte wohl mög - lich geweſen ſey; ein ſolcher Irrthum würde aber doch nur 16 Toiſen Unterſchied im Reſultate be - wirkt haben. G. 4) |
| 2488 | 4,1 | 22 | 17,9 | 139* | Ht.Mai 28. 1802 4) 4) | ||
| Chimboraço | 1 28 ſ. | 3012 | − 1,3 | 23,3 | 23,3 | 129,3 | Ht.Jun. 23. 1802 5)(Vergl. Annalen, XVI, 469.) Zu Calpi, einem in - dianiſchen Dorfe in einer weiten Gebirgsebene am Fuſse des Koloſſes, 1630t über dem Meere, ſtand zu gleicher Zeit das Thermometer auf 12°; ein Be - weis, daſs dieſe Ebene eine höhere Temperatur annahm, als ihr nach ihrer Lage zukam. Der Tag war neblig. G. 5) |
| [Über Paris | 48 50 n. | 3580 | − 7,6 | 24,5 | 32,1 | 111,5 | Gay-LuſſacSept. 16. 1804] |
| üb. P. | [ | 22,2 | 29,8 | 120,1] | |||
| i. P. | |||||||
| [ Aetna | 38n. | 1713 | +3,5 | 18,5 | 15 | 114 | SauſſureJun. 5, 1773] |
| [Das Mittel mit Ausſchluſs der beiden * iſt 121,1] | |||||||
– – Die Reſultate aller dieſer Beobachtun - gen, welche ich, [ſagt Herr von Humboldt, ] zwiſchen den Wendekreiſen angeſtellt habe, ſchwan - ken zwiſchen 114 und 130 Toiſen; und beweiſen alſo, daſs man ſich dort um ungefähr 122 Toiſen erheben muſs, um die Temperatur um einen Grad des Reaumür 'ſchen Thermometers verändert zu ſehen. Da in den Tropenländern ein regelmäſsiger Wind, der der Erdrotation, oder der Paſſatwind herrſcht, und da alle Wetterveränderungen daſelbſt innerhalb ſehr enger Gränzen eingeſchloſſen ſind, ſo darf man ſich nicht über die groſse Uebereinſtim - mung wundern, welche die Beobachtung bei ſo un - gleich hohen Luftſäulen, von 800 bis 3000t giebt.
Im Sommer, beſonders 2 bis 3 Stunden nach der Culmination der Sonne, wenn an heitern Ta - gen die aufſteigende warme Luft die obern Schich - ten der Atmoſphäre gleichmäſsig erwärmt hat, ſcheint die Wärmeabnahme in unſrer gemäſsigten Zone, in der mittlern Breite von 45 bis 50°, daſ - ſelbe Geſetz als unter dem Aequator zu befolgen. Die groſse aeroſtatiſche Reiſe meines Freundes, Herrn Gay-Luſſac, welche über die magneti - ſchen Phänomene und die chemiſche Beſchaffenheit der hohen Luftregionen ſo vieles Licht verbreitet, hat uns auch die wichtigſten Reſultate über die Ab - nahme der Temperatur in der Atmoſphäre geliefert. Als dieſer eben ſo erfahrne als genaue Beobachter*)Annales de Chimie, t. 52, p. 75; und dieſe Anna - len der Phyſik, B. XX, S. 19. am 16ten Sept. 1804 ſich über Pariszu der unge - heuern Höhe von 3580 Toiſen, (3600t über dem Meere,) alſo faſt 2000 Fuſs höher als der Gipfel des Chimboraço, erhob, traf er daſelbſt Luftſchich - ten an, in welchen eine Winterkälte von 7°,6 R. unter dem Gefrierpunkte herrſchte, während wir zu Parisdie übermäſsige Hitze von 24°,5 R. erlitten. Der Wärmeunterſchied betrug hiernach 32°,1 R., und die Wärmeabnahme 111t,5 auf 1° R., alſo nur 6t,8 weniger als die, welche ich auf dem Pic von Te - neriffabeobachtet habe. Betrachtet man aber die Luftſäule, welche Herr Gay-Luſſacdurchlief, als aus zwei ungleichen Theilen beſtehend, ſo er -32 giebt ſich, daſs von der Ebene an bis zu der Höhe von 1900t, alſo bis zur Höhe des Pic von Tene - riffa, die Wärmeabnahme volle 123t auf 1° R. be - trug, daſs aber von dieſer Höhe bis über den Gipfel des Chimboraçohinaus oder bis 3600t, die Wärme - abnahme ſo ſchnell war, daſs 91t zu 1° veränderter Temperatur gehörten. *)Als Herr Gay-Luſſacin ſeinem Aeroſtate die Erde um 9U. 40′ Morgens verlieſs, ſtand das Cente - ſimalthermometer auf 27¾°, (Annalen, XX, 23, 26,) und war, als er ſich um 3U. 11′ Nachmittags in der gröſsten Höhe, 3580t über Parisbefand, in Parisbis 30¾° geſtiegen, (daſ., S. 27, wo man Zeile 5 ſtatt nicht merklich, nicht bedeutend, und Zeile 11 ſtatt 3½°, 3° leſe; und S. 28, wo man in Zeile 15 die Worte: bei meiner Abfahrt, wegſtrei - che.) In jener gröſsten Höhe ſtand es auf − 9½°. Nach der Reaumür 'ſchen Scale betragen dieſe Thermometerſtände 22°,2; 24°,5; − 7°,6; aus den beiden letzten folgt die obige Wärmeabnahme 111t,5 für 1° R. – In 1894t Höhe über Parisſtand bei dem Anſteigen das Thermometer auf 6°,8 R.; und dieſem Sinken um 15°,4 R. entſpricht eine Höhe von 123t für jeden Grad Reaum. Wärmeabnahme. Die Urſachen, welche die Temperatur der Luft an der Erdfläche von 10 bis 3 Uhr allmählig um 2°,3 R. erhöhten, wirkten ſchwerlich in ſo kurzer Zeit bis zu einer Höhe von 3580t merklich erwärmend in der Atmoſphäre hinauf. Sollte daher die Tempera - tur hier nicht auch um 10 Uhr wie um 3 Uhr nahe − 7°,6 R. betragen haben? und ſollte dieſe Vormit - tagsſtunde, wo die Temperatur der mittlern desTageſ
Dieſe33Dieſe Beſchleunigung der Wärmeabnahme in den hohen Luftſchichten iſt der von Lambertin der Pyrometrie aufgeſtellten und ſchon von Sauſſureangegriffenen, allerdings etwas ein - ſeitigen Theorie entgegen. Sie erklärt ſich aber keinesweges aus dem Einfluſſe der Wärme-ſtrahlen - den und warme Luft aufwärts ſendenden Erdfläche. Wo dieſer Einfluſs im Aufhören iſt, d. h., ein Un - endlichkleines wird, wo die Wärme des Luftkrei - ſes gröſsten Theils nur noch von der Lichtverſchlu - ckung (extinction de la lumière) abzuhängen beginnt, da ſcheint die Kälte der Luftſchichten langſamer*)Tages näher kam, nicht ſchicklicher, als die Stun - de der gröſsten Hitze, zur Beſtimmung der Wär - meabnahme in der Atmoſphäre geweſen ſeyn? In dieſem Falle würden die Beobachtungen des Herrn Gay-Luſſacfür die Region von 1893 bis 3580t die Wärmeabnahme zu 117t auf 1° R., alſo nahe die - ſelbe als für die untern 1900t gehen. Die Wär - meabnahme in der ganzen Luftſäule von der Er - de ab gerechnet, fände ſich dann zu 120t,1 auf 1° R., ganz übereinſtimmend mit dem, was Hr. von Humboldtaus ſeinen Beobachtungen in Amerikafolgert, und daſs ſie um 3 Uhr Nachmit - tags ſich etwas kleiner zeigte, würde für einen Beweis mehr des Einfluſſes zu nehmen ſeyn, welchen erwärmte Ebenen auf die Beſtimmung der Wärmeabnahme haben. (Vergl. S. 35 unten, und S. 44 unten.) Folgende Thermometerſtän - de, welche Herr Gay-Luſſacheraus hebt, 4°,2, 0°,4 R. in 2566t, 2912t Höhe, und 0°, − 7°,6 R. in 2889t, 3580t Höhe, geben zwar eineAnnal. d. Phyſik. B. 24. St. 1. J. 1806. St. 9 C34zuzunehmen, ja dieſe Zunahme der Luftdünne pro - portional ſeyn zu müſſen. Ehe man eine Beſchleu - nigung der Wärmeabnahme in den höchſten Re - gionen der Atmoſphäre annehmen darf, muſs die - ſelbe durch mehrere übereinſtimmende Beobach - tungen begründet werden. Denn die Luftreiſen, welche von genauen und gelehrten Beobachtern angeſtellt worden ſind, die eines Charles, Guy - ton, Biotund Gay-Luſſac, lehren, daſs bis zur Höhe des Aetnadie Temperatur der Luft -*)ganz gleiche Wärmeabnahme für dieſe hohen Luftregionen, erſtere von 91t,1, letztere von 91t für 1° R.; allein dieſes Zuſammentreffen könnte doch nur zufällig ſeyn. Hebt man andere Beob - achtungen aus, ſo erhält man bedeutend ver - ſchiedene Zahlen. Mit zunehmender Höhe beim Auffluge ſtieg die Temperatur ein paar Mahl, ſtatt zu ſinken, und nicht immer fand Herr Gay-Luſſacin gleicher Höhe gleiche Ther - mometerſtände. Er ſchreibt dieſes dem Zurück - bleiben des Thermometers hinter der Tempera - tur der Luft zu; da aber doch kalte oder warme Luftſtröme eben ſo gut Antheil daran haben könnten, wie dieſes weiterhin Herr von Hum - boldtbemerkt, ſo müſste, dünkt mich, wenig - ſtens die Richtung des Windes in den verſchiede - nen Stationen genau beobachtet worden ſeyn, ehe wir aus Thermometerſtänden in Höhen, die vielleicht noch in den Regionen ſolcher Strö - mungen ſind, und nur wenig von einander ab - ſtehn, einiger Maſsen zuverläſſige Schlüſſe über das Geſetz der Wärmeabnahme ziehen kön - nen. Gilb.35 ſchichten in unſerm europäiſchen Klima, (der Win - de und anderer zufälligen Urſachen wegen,) ſehr unregelmäſsig ſcheinenden Veränderungen ausge - ſetzt iſt. Je höher man ſich aber hinauf ſchwingt, deſto mehr hören die Urſachen dieſer Anomalieen auf.
Wenn man übrigens aus meinen eignen Be - obachtungen, die ich zwiſchen den Wendekreiſen angeſtellt habe, auf eine analoge Beſchleunigung der Wärmeabnahme in groſser Entfernung von der Meeresfläche ſchlieſsen wollte, ſo würde man ſich durch Nichtbeobachtung der Localverhältniſſe zu einem Fehlſchluſſe verleiten laſſen. Allerdings finde ich bei der Beſteigung des Chimboraço119 Toiſen für 1° R., wenn ich die ganze Luftſäule von 18072 Fuſs als ein Ganzes betrachte. Theile ich ſie hingegen in zwei Theile, ſo finde ich für die erſten 9780 Fuſs von der Meeresfläche bis zum in - dianiſchen Dorfe Calpi, 166 Toiſen, und von Cal - pibis zu unſerm höchſten Standpunkte am Bergrü - cken, (alſo in den letzten 8292 Fuſs,) 103 Toiſen für 1° R. Wärmeabnahme. Aehnliche Verſchie - denheiten gaben die Beobachtungen auf der Silla de Caraccas, in den Kapellen bei Santa Fé, und auf dem Vulkan von Toluca, je nachdem man ſie über der Meeresfläche, oder über den Thälern von Caraccas, von S. Fé de Bogotaund von Tolucaberechnet. In allen dieſen Fällen entſteht der Schein einer Beſchleunigung der Wärmeabnahme offenbar nur aus dem Umſtande, daſs die Thäler, inC 236denen Calpi, Caraccas, S. Féund Tolucaliegen, weit gedehnte ſölige Ebenen ſind, welche ſich ſtär - ker erhitzen, als der ſteile Abhang eines Gebirges, oder als Luftſchichten, welche, ſtatt einen her - vor ragenden Theil der Erdfläche unmittelbar zu berühren, auf andern Luftſchichten ruhn. Da die hohen amerikaniſchen Gebirgsketten der pe - ruaniſchen und mexikaniſchen Andesbis zur Hö - he des St. Gotthardseine ungeheure Maſſe haben, da ſie bis zu dieſer Höhe Flächen von 120 geogr. Quadratmeilen bilden, ſo iſt bis zu der bewohnten Höhe der Andesdie Wärmeabnahme langſam, dann aber plötzlich ſchneller, in der 1800 bis 2000 Toi - ſen hohen Bergſchicht, wo die Gebirgsmaſſe ab - nimmt, und kegelförmige Gipfel ſich auf einer breiten Grundfläche iſolirt erheben. Dieſer Um - ſtand erklärt die mittlern Temperaturen, welche, wie ſie aus wirklichen Beobachtungen gefolgert werden, in meinem Naturgemählde der Tropenwelt auf einer Thermometerſcale aufgezeichnet ſind. Pflanzen heiſser Erdſtriche ſteigen da am höchſten[in] dem Gebirge aufwärts, wo die Maſſe der An - desketteam gröſsten iſt. Villarhat längſt ähnliche Bemerkungen über die Geographie der Alpenpflanzen in der Dauphiné*) SauſſureVoyage dans les Alpes, §. 936.gemacht.
In einer Abhandlung, welche ich zu Parisin der Sitzung der erſten Klaſſe des Nationalinſtituts am 26ſten Novbr. 1804 vorgeleſen, habe ich be -37 reits entwickelt, wie über die Höhe des Montblanchinaus, alſo in einer Region, wo der Einfluſs der ſtrahlenden Wärme ſehr geringe iſt, im Sommer in 49° nördlicher Breite, und unter dem Aequator, gleich kalte Luftſchichten in einerlei Höhe lie - gen. Die Vergleichung von Herrn Gay-Luſ - ſac's Beobachtungen auf ſeiner groſsen Luftfahrt, und den meinigen am Chimboraço, gaben dieſes auffallende Reſultat:
| Höhe | Temperaturen | ||
| am Chimboraço | über Paris | ||
| 2440t | +5°,2 R. | +5°,8 R. | +6°,6 R. *)Da die Höhen über Parisin Hrn. Gay-Luſ - ſac's Tabelle (Ann., XX, 26,) um 20 Toiſen klei - ner ſind, als die Höhen über dem Meere, ſo finde ich durch Interpolation zwiſchen den Zah - len dieſer Tabelle die Thermometerſtände über Paris, welche zu den in der erſten Columne an - gegebenen Höhen über dem Meere gehören, et - was anders, als ſie in der dritten Columne ſtehn, und zwar ſo, wie ich ſie in der eingeklammerten Columne daneben geſetzt habe. Man ſieht, daſs dieſe Temperaturen noch genauer, als jene, mit denen am Chimboraçoin den höhern Regionen harmoniren. Sie ſind, die erſten aus Zeile 9; die zweite aus Zeile 11 und 12; die dritte aus Zeile 14; die vierte aus Zeile 19 und 20 der Gay - Luſſac 'ſchen Tabelle abgeleitet. Gilb. |
| 5,6 | |||
| 2850 | 2,3 | 1,6 | 2,0 |
| 3012 | − 1,3 | − 2,0 | − 1,2 |
Die Unterſchiede betragen nicht mehr als 0°,7. Auch herrſchte damals in den Ebenen des nördli -38 chen Frankreichseine Hitze, welche der Tempera - tur der Tropenländer gleich war.
Bis hierher haben wir zwei Mittel unterſucht, das Geſetz der abnehmenden Wärme kennen zu lernen. Bergreiſen und Luftfahrten geben Reſulta - te, welche mehr überein ſtimmen, als man wegen des Spiels der horizontalen und ſenkrechten Win - de erwarten ſollte. Drei andere nicht gleich zu - verläſſige Mittel ſind: die Jahre lang beobachtete mittlere Lufttemperatur; die Wärme der Quellen; und die Wärme der unterirdiſchen Höhlen, welche letztere man etwas gewagt die Wärme des Erdkör - pers zu nennen pflegt.
Herr von Humboldtbemerkt über das er - ſte dieſer Mittel, daſs es immer nur von geringerm Werthe für die Beſtimmung des Geſetzes der Wär - meabnahme in der Atmoſphäre bleiben werde, es ſey denn, es lieſsen ſich auf der Höhe des Montblanc, des Pic von Teneriffaund des Aetnaphyſikaliſche Obſervatoria, und zwar, um ſtationären Luftbällen zu gleichen, auf ſpitzen Kegelbergen oder an ſenk - rechten Abſtürzen bauen, und in ihnen täglich cor - reſpondirende Beobachtungen über Horizontal-Re - fraction, Luftfeuchtigkeit, electriſche Tenſion, Elaſticität und Temperatur der Atmoſphäre anſtel - len. In Europaſind indeſs die höchſten Punkte, die fortwährend bewohnt werden, die Hoſpice amSt. Gotthards -und am St. Bernhards-Paſs, nur in39 6390 und 7476 Fuſs Höhe. In Amerikahaben ſich zwar ſeit den älteſten Zeiten die Menſchen noch bedeutend höher angeſiedelt; peruaniſche Städte, wie Mincuipampaund Huancavelica, liegen in 1900t Höhe, und Menſchenwohnungen erheben ſich ſelbſt bis 12610 Fuſs, alſo vier Mahl höher als die groſsen, aber lichten Wolken, welche im Sommer über unſerm Scheitel hinziehen; auch werden im ſpaniſchen Amerika, wo ſeit La Condamine's Reiſe Liebe zu phyſikaliſchen Wiſſenſchaften mehr verbreitet iſt, als man in Europaſelbſtgefällig zu glauben wünſcht, tägliche Thermometerbeobach - tungen ziemlich regelmäſsig in 8 bis 9000 Fuſs Hö - he angeſtellt. Allein die Orte, deren mittlere Tem - peratur mit einander verglichen werden ſoll, lie - gen zu weit von einander; iſt ihre Höhe über der Meeresfläche unter 3000 Fuſs, ſo verurſacht die zufällige Variation um 1° R. ſchon eine übermä - ſsige Verſchiedenheit in dem Reſultate; und wie ſoll man unter den verwickelten, die Temperatur beſtimmenden localen Urſachen den Einfluſs der Höhe erkennen, und was der ſenkrechten Höhe über dem Meere allein zuzuſchreiben iſt, beſtim - men? Faſt alle hoch gelegene Städte und Dörfer in Amerikaund Europaſind in engen Gebirgsthä - lern und auf unermeſslich weiten, durch ehemahli - gen Waſſerſtand geebneten Gebirgskuppen ange - baut, die ſich ſtark erhitzen, und je nachdem man die mittlere Temperatur dieſer hohen Gebirgsebe - nen mit der der Küſten, oder mit den noch hö -40 hern Gebirgsſpitzen vergleicht, erhält man ſehr ver - ſchiedene Beſtimmungen für die Wärmeabnahme. Ich wähle, ſagt Hr. von Humboldt, um dieſen Gegenſtand genauer zu unterſuchen, vier Städte, deren mittlere Temperatur und Höhe über der Meeresfläche bekannt ſind: Quito, Santa Fé de Bo - gota, Popayanund Mexiko.
Es kömmt zuerſt darauf an, den mittlern Wär - megehalt der Tropenregion in der Ebene des Mee - res feſt zu ſetzen. Wenn ich meine eignen fünfjäh - rigen Beobachtungen mit denen vergleiche, wel - che Cottein ſeinem klaſſiſchen Werke: Mémoires de Meteorologie, vereinigt hat, ſo ſcheint es entſchie - den, daſs vom Aequator bis 60° nördl. Breite das Thermometer zu einer gleich groſsen Höhe ſteigt; daſs die auſserordentlich hohen Thermometerſtän - de in den gemäſsigten Klimaten häufiger als zwi - ſchen den Tropen ſind; und daſs, (wenn man in der Sonne, oder mit Licht-abſorbirenden, gleichſam photoſkopiſchen Thermometern, oder von wenig genauen Beobachtern angeſtellte Verſuche aus - ſchlieſst,) das Tropenklima im Innern von Aſien, Afrikaund Amerikagleich heiſs iſt. Seitdem die Reiſenden mit Queckſilberthermometern verſehen ſind, und im Schatten, auſserhalb des Reflexes von Gebäuden und Felswänden beobachten, verſchwin - den nach und nach die Angaben von 33 bis 36° R. Tropenwärme, ob man gleich noch Thermometer - ſcalen ſieht, auf denen 50 und 60° ſyriſcherAttribut-Wert-Paar dieses Eintrags im Ortsregister unterhttp: / / pom. bbaw.de / avh /, abgerufen am 04.06.2015, war: content = "Syrien"22und ſene - gal'ſcherAttribut-Wert-Paar dieses Eintrags im Ortsregister unterhttp: / / pom. bbaw.de / avh /, abgerufen am 04.06.2015, war: content = "Senegal"23Hitze angedeutet ſind. Nach Cottefällt41 die mittlere Temperatur der Länder zwiſchen den Wendekreiſen zwiſchen 21° und 22°,7 R. La Con - daminebeſtimmt ſie für die Ufer der Südſeenur auf 20°. Allerdings iſt die ſüdliche Hemiſphäre un - ſers Erdballs etwas kühler, oder vielmehr gleich - mäſsig milder, als die nördliche. Doch liegt die - ſer Unterſchied mehr in den Extremen, als in der mittlern Wärme. Die Länder ſüdlich vom Aequa - tor, beſonders die der gemäſsigten ſüdlichen Zone, ſind wegen der groſsen Waſſermenge der ſüdlichen Halbkugel weder ſo übermäſsig kalt, noch ſo übermäſsig warm, als die nördlichen Regionen der Erde unter gleichen Breiten. Nach meinen Beob - achtungen zu Guayaquil, einem Hafen an der Südſee, ſcheint die mittlere Temperatur dieſer Küſtenlän - der gegen 21°,3 zu betragen. Natürlich muſs hier - von der Erdſtrich zwiſchen Amotapeund Coquim - boausgeſchloſſen werden, der weſtlichſte und ſan - dige Theil von Peru, in dem es nie regnet und donnert, und in welchem fünfmonatliche Verhül - lung der Sonne durch dicke Nebel eine dort em - pfindliche Kälte von 9 bis 10° R. erregt.*Im Jahre 1801 ſank an den kälteſten Tagen in Lima, den 28. Julius, den 30. Auguſt und den 27. September, das Thermometer auf 11° herab. Die wärmſten Tage waren der 25. Febr. und 25. März zu 22° R. Die mittlere Temperatur von Lima ſcheint gegen 17°, alſo 4° weniger zu ſeyn, als an der Küſte gelegenen Orten dieſer geogr. Breite zukömmt. In42 Cumana, (10° 27′ 37″; ſ. Breite,) einem wegen ſeiner übermäſsigen Hitze weit berufenen Orte, wo ich theils ſelbſt beobachtete, theils mit meinen Inſtru - menten während der Orinoco- Reiſe ſorgfältigſt be - obachten lieſs, iſt die mittlere jährliche Wärme 22°,2. In Vera Cruz, wo ich ein Tableau von 21000 Beobachtungen des Don Bernardo de Ortavermutlich Bernardo Orta: um 1804 Hafenkapitän in Veracruz25durchſuchte, finde ich die mittlere Temperatur zu 20°,3. Die Breite des nahen amerikaniſchen Con - tinentsund Nordſtürme vermindern dort im Win - ter die Wärme des Klima. Auch liegt dieſer Ha - fen ſchon den Wendekreiſen nahe, unter 19° 12′ nördl. Breite. Dieſelben Urſachen bringen die mittlere Wärme der Havanna, über die ich vierjäh - rige Beobachtungen bekannt machen werde, auf 18° R. herab; ja man ſieht dort, unter 23° 9′ nördl. Breite, an Orten, die nur 240 Fuſs über das Meer erhaben ſind, das Thermometer manchmahl auf dem Gefrierpunkte.
Ein vortreffliches Mittel, die mittlere Tem - peratur der TropenregionAttribut-Wert-Paar dieses Eintrags im Ortsregister unterhttp: / / pom. bbaw.de / avh /, abgerufen am 04.06.2015, war: content = "Tropenregion". Weitere Vorkommen von "Tropen" bzw. "Tropenregion" wurden im Text nicht ausgezeichnet.26kennen zu lernen, bie - tet die Oberfläche des Oceans dar, nämlich da, wo ſeine Wärme weder durch Untiefen noch durch Strömungen modificirt iſt. Ich arbeite an einer Karte über die Temperatur der Meere, zu der ich auſser meinen eignen Verſuchen eine Men - ge von Beobachtungen benutze, welche ſpani - ſcheAttribut-Wert-Paar dieses Eintrags im Ortsregister unterhttp: / / pom. bbaw.de / avh /, abgerufen am 04.06.2015, war: content = "Spanien"27Seeofficiere auf meine Bitte in der ſüdlichen Halbkugel angeſtellt haben, und noch anſtellen. Nicht bloſs der bekannte, von Franklin, Wil -43 liamsund Pownallunterſuchte Golf-Strom, welcher die warmen Waſſer des mexikaniſchen Meerbuſensüber die Bank von Neufoundlandführt, ſondern auch ein Strom kalter Gewäſſer, den wir in der Südſeegefunden haben, ſoll darauf verzeich - net werden; ein Strom, welcher an der Küſte von Chiliund Peruhinflieſst, und ſich beim Cap Pariñagegen Weſten wendet. Auſserhalb dieſer Strö - mungen finde ich das Meer in der dem Aequator nahen Zone zwiſchen 20°,6 und 22°,5.
Das Endreſultat aller dieſer Beobachtungen iſt, daſs man die mittlere Wärme der Ebene des Meeres zwiſchen den Parallelen 10° nördlich und ſüdlich von der Linie, auf 21°,5 und zwiſchen 10° und den Wendekreiſen auf 20°,8 anſchlagen kann. Kirwan's Annahme von 23° für den Ae - quator*Phyſ. chem. Schriften, nach Crell's Ueberſetzung, B. 3, S. 132. iſt demnach zu hoch.
Mit ihr vergleicht nun Hr. von Hum - boldtdie mittlern Temperaturen der oben ge - nannten in groſsen und hohen Gebirgsebenen gele - genen Städte. Die Höhe der Stadt Quito, (0°,13′ 17″; ſ. Br.,) iſt nicht, wie ſie La Condamineund Bouguerbei Berechnung der Berghöhen anneh - men, 1462t, ſondern barometriſch gemeſſen und nach La Place's Formel berechnet 1500t. Das Thermometer ſah Hr. von Humboldtbei ſeinem ſechsmonatlichen Aufenthalte daſelbſt oft den gan -44 zen Morgen über zwiſchen 5° und 9° R. Beſon - ders ſeit dem fürchterlichen landverheerenden Erd - beben von 1797 iſt das ganze Klima der Gegend merklich kälter geworden, als es zu La Conda - mine's Zeiten war. Die mittlere Temperatur, die er, doch, wie es ſcheint, nach keinem genau - en Journal, auf 13°,7 ſetzte, ſcheint gegenwär - tig nur auf 12°, alſo unter der von Romzu ſte - hen. Der Unterſchied mit den nahen Küſten - ländern beträgt hiernach 9°,5 R., und die Wär - meabnahme 157t auf 1° R. Auf ähnliche Weiſe berechnet, erhält man ſie für St. Fè de Bogota163t, für Mexiko160t, für Popayan168t. St. Fé de Bo - gota, die Hauptſtadt des Ko<¨>nigreichs Neu-Granada, liegt 1356t über dem Meere; mittlere Temperatur 13°,2. Die Höhe von Mexikonach meinen Beob - achtungen iſt 1173t, die mittlere Temperatur 13°,5; nördl. Breite 19° 26′ 2″. Popayan, der Sitz eines Biſchofs, liegt in dem anmuthigen Thale des Cau - cafluſſes, am Fuſse zweier Schneebedeckter Vulka - ne, Sotaraund Puracé; Höhe 840t; das Klima überaus angenehm; mittlere Temperatur nach Doctor Calda's Beobachtungen 16°,5; nördl. Breite 2° 24′ 33″;. In allen dieſen Beobachtungen zeigt ſich, wie man ſieht, eine bewundernswürdige Harmonie. Alle geben die Wärmeabnahme von 157 bis 168t auf 1° R., und beweiſen dadurch gleichmäſsig den Einfluſs der Erhitzung und der ſtrahlenden Wärme groſser Gebirgsebenen. Dieſer Einfluſs erklärt, warum man in der Andeskette45nahe am Aequator noch in 800t Höhe das Klima, oder wenigſtens die mittlere Temperatur von Al - gier, und in 1400t Höhe die mittlere Temperatur von Romund Florenzfindet.
Was das zweite der oben erwähnten Mittel betrifft, die mittlere Wärme einer Gegend auszu - mitteln, nämlich die Temperatur der Quellen, ſo hat, wie der Verfaſſer bemerkt, Herr von Buch, der dieſes ſinnreiche Verfahren neuerlich in die - ſen Annalen, B. XX, S. 343, wieder gründlich em - pfahl, auf ſeinen Reiſen durch die Schweizund Italienmehrere Beobachtungen geſammelt, welche in beträchtlichen Höhen angeſtellt ſind, und für die Zuverläſſigkeit dieſes Mittels zu zeugen ſcheinen. Allein in ſteilen und groſsen Höhen, wo ſich ent - weder das Schneewaſſer raſch tiefern Quellen bei - miſcht, oder wo dieſe Quellen ihrem Urſprunge in höhern Regionen nahe ſind, wird es unzuverläſſig, und ſolche Gebirgsquellen zeigen eine geringere Temperatur, als der Gegend, wo ſie ausbrechen, im Mittel zukömmt. John Hunter, den Caven - diſh*Philoſophical Transact. of the Roy. Soc. of Lond. for 1788.veranlaſst hatte, auf dem blauen Gebirgevon Jamaikadie Wärme der Quellen zu meſſen, fand ſie vom Meere an bis zu einer Höhe von 1400 Yards, (gleich 653t,) von 21°,3 allmählig bis 13°,3 abneh - men. Nun iſt, nach Edward's Hiſtory of Jamai - ca, Vol. I, p. 184, der Gipfel der blauen Bergenur46 7431 engl. Fuſs (1161t) über die Meeresfläche er - haben. Die Quelle bei Mr. Wallens Houſe ſcheint alſo die groſse Kälte von 13° vom Gipfel ſelbſt zu haben. In den Gebirgen von Cumanaund Carac - cashabe ich mehrere ähnliche Beobachtungen über die Temperatur der Gebirgsquellen angeſtellt, und ebenfalls dieſe Quellen ſtets kälter gefunden, als man nach ihrer Höhe hätte vermuthen ſollen; ſo z. B. eine Quelle in 680t Höhe von 13°,2, eine an - dre in 505t Höhe von 13°,5, und eine dritte in 392t Höhe von 16°,8 Wärme. Alle waren alſo wenig - ſtens 3° kälter, als ſie es nach der mittlern Tem - peratur der Gegend ſollten, wo ſie ausbrechen.
So wie die Quellen, da, wo ſie langſam in wei - ten Gebirgsebenen flieſsen, die wahre mittlere Wärme anzeigen, ſo erkennt man dieſe auch in der Temperatur der Höhlen. Wie ſchwer es indeſs iſt, dieſe ſo genannte innere Erdwärme auszumitteln, und wie ſehr Localverhältniſſe darauf einwirken, das habe ich bereits in meiner Schrift über die un - terirdiſchen Gasarten durch Verſuche gezeigt. Da dieſe Erdwärme gewöhnlich in Kellern oder in Bergwerken auf Querbrüchen und abgeworfnen zimmerungſloſen Stellen beobachtet wird, ſo hat man bald mit äuſserm Luftwechſel, bald mit Ver - dampfung des naſſen Geſteins, bald mit luftausbla - ſenden trocknen Klüften, bald mit Wärmeentbin - dung der ſich zerſetzenden Gang - und Gebirgsar - ten zu kämpfen. Wenn ein Phyſiker mehrere Jah - re lang auf dem Rücken der hohen Andeskette47lebte, ſo wäre es allerdings ein herrliches Unter - nehmen, von 500 zu 500t am Gebirgshange Quer - ſchläge in dürre Porphyrfelſen treiben zu laſſen, um dort die Temperaturabnahme zu beobachten. Leider aber ſind Unternehmungen dieſer Art für Reiſende unmöglich; ſie ſehn ſich in ihren Beob - achtungen auf Höhlen und Bergwerke einge - ſchränkt, wie ſie ihnen die Natur und Kunſt zufäl - lig darbietet. – – [Hier von denen, welche Herr von Humboldtin ſeiner Abhandlung mit - theilt, nur zwei Beobachtungen jeder Art:]
Höhlen. Thermometerſtand in den Kalkhöhlen öſtlich von der Stadt Havana, kaum 10t über der Meeresfläche, 18°,3 R.; die äuſsere Luft 21° R. – Temperatur der Höhle Guacharobeim Kloſter Ca - ripe in 505t Höhe, und 10° 12′ nördl. Breite, 15° R.; des in ihr entſpringenden Flüſschens 13°,5; der äuſsern Luft 13°.
Gruben. Temperatur der mexikaniſchenAttribut-Wert-Paar dieses Eintrags im Ortsregister unterhttp: / / pom. bbaw.de / avh /, abgerufen am 04.06.2015, war: content = "Mexiko"30Grube S. Ygnacio bei Tehuilotapec, in 840t Höhe und 18° 38′ nördl. Breite, unter ſehr günſtigen Umſtän - den, 19°,5; der Grubenwaſſer 16°; der äuſsern Luft 17°. – Temperatur der peruaniſchenAttribut-Wert-Paar dieses Eintrags im Ortsregister unterhttp: / / pom. bbaw.de / avh /, abgerufen am 04.06.2015, war: content = "Peru"31Gru - be la Guadaloupe bei der Stadt Micuipampain 1840t Höhe und 6° 45′ ſüdl. Breite, 11°5; der Gruben - waſſer 9°; der äuſsern Luft 4°,5.
In allen dieſen Beobachtungen, bemerkt Herr von Humboldt, über die ſo genannte innere Wärme der Erde iſt zwar der Einfluſs der Höhe nicht zu verkennen; im Ganzen ſind die Reſultate48 aber doch zu ungleich, um ſie über das Geſetz der Wärmeabnahme entſcheiden zu laſſen.
Wir haben jetzt alle Hülfsmittel unterſucht, durch welche man zu der Kenntniſs dieſes Geſetzes gelangen kann. – –
Das Reſultat, zu welchem ſie uns führen, iſt, wie man aus der Tafel S. 28 erſieht, daſs man ſich 121t,1 erheben muſs, um die Temperatur ei - ner Luftſchicht um 1° R. vermindert zu ſehen.
Dieſes Geſetz ſcheint für die Tropenländer und für unſer europäiſches Klima im Sommer faſt gleichgültig zu ſeyn. Vielleicht iſt die Wärmeab - nahme nahe am Aequator um ein Geringes langſa - mer als in Europa, welches in der gröſsern Men - ge ſtrahlender Aequatorialwärme gegründet ſeyn kann.
Wie die Wärmeabnahme bei uns im Winter ſey, welcher Unterſchied zwiſchen dem Tage und der Nacht Statt findet, und ob man ſie, wie ich ſelbſt bezweifle, als eine arithmetiſche Progreſſion im ſtrengſten Sinne des Wortes betrachten könne; das müſſen fernere Verſuche in der Zukunft leh - ren.
Die Verſchiedenheit der Horizontalrefraction, welche man ſeit Bouguerzwiſchen der heiſsen Zo - ne und unſern Klimaten annimmt, könnte als Ein - wendung gegen die Uebereinſtimmung gelten, die wir zwiſchen meinen Beobachtungen unter dem49 Aequator und den europäiſchen Sommerbeobach - tungen gefunden haben. Aber man darf nicht ver - geſſen, daſs Herr Delambredurch genaue Ver - ſuche neuerlich erwieſen hat, die Horizontalre - fraction im mittlern Europaſey viel geringer, als man bisher geglaubt hat. Dazu kömmt, daſs Bouguer's Beobachtungen in Quitoim Wider - ſpruch mit denen ſtehn, welche Le Gentilin faſt gleicher Breite in Aſienangeſtellt hat. So lange die Aſtronomen ſelbſt noch nicht über die Horizontalrefraction in verſchiedenen Breiten mit einander einig ſind, iſt es vorſichtiger, bei dem reinen Ausſpruche der phyſikaliſchen Verſuche ſte - hen zu bleiben.
CLARIN-DNote: Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe
Beobachtungen über das Gesetz der Wärmeabnahme in den höhern Regionen der Athmosphäre, und über die untern Gränzen des ewigen Schnees. Alexander von Humboldt. . I+48 S. 1806. Annalen der Physik (24) pp. 1-49.
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