— — Seit zwei Jahren ſind wir ohne alle Nach - richt von Europa, und über das Schickſal der Sammlungen, die wir Ihnen überſchickt haben, in der unangenehmſten Ungewiſsheit. — — Unter den Gebirgsarten der Kordillere der Anden, welche Sie über Madrit werden erhalten haben, finden ſich ſehr merkwürdige, mit problematiſchen Foſſi - lien untermengte, ſchwarze, grüne, gelbe, weiſse und rothe Obſidiane aus den Vulkanen von Quito, be - ſonders von Quinché. Um die Naturgeſchichte die - ſer für die Geologie ſo intereſſanten Gebirgsart zu vervollſtändigen, überſchicken wir Ihnen dieſes119 Mahl eine Sammlung von Obſidianen aus dem Kö - nigreiche Neu-Spanien. Die groſse Leichtigkeit, womit die ſchwarzen und grünen Obſidiane ſich im Feuer zu einer weiſsen, ſchwammartigen Maſſe, vom ſieben - bis achtfachen Volumen aufblähen, und die Hartnäckigkeit, womit dagegen die rothen und braunen der Veränderung durch Feuer widerſtehn, zeigen weſentliche Verſchiedenheiten in der Mi - ſchung beider an, über welche die chemiſche Zer - legung Belehrung geben wird. Während der Ob - ſidian beim Glühen ſich aufbläht, entweicht aus ihm Gas, welches unterſucht zu werden verdiente.
In keinem Theile der Welt kömmt Porphyr häu - figer und in gewaltigern Maſſen, als zwiſchen den Wendekreiſen vor. Um Riobamba und am Tunguragua haben wir ihn in einer Mächtigkeit von 2080 Toiſen gefunden. Man reiſt Monate lang in der Kordillere der Anden, ohne Thonſchiefer, Glimmerſchiefer, Gneuſs, und beſonders ohne die geringſte Spur von Granit zu ſehen, der in Europa, und überhaupt in den gemäſsigten Zonen, die höch - ſten Punkte der Erde bildet. In Peru, beſonders in der Gegend der Vulkane, zeigt ſich der Granit nur an den niedrigſten Stellen, in den tiefſten Thä - lern, zu Tage. In den Höhen von 1000 bis 3000 Toiſen über die Südſee iſt hier der Granit überall mit Porphyren, Mandelſteinen, Baſalten und an - dern Gebirgsarten von der Trappformation bedeckt. Der Porphyr iſt hier überall der Sitz des vulka - niſchen Feuers; und in dieſen Porphyren, welche120 glaſigen Feldſpath, Hornblende und ſelbſt Olivin enthalten, finden ſich die Obſidiane, bald als La - ger, bald als halb zerſtörte Felſenmaſſen von gro - tesker Geſtalt. In den Vulkanen von Popayan, Pa - ſto, Quito und andern Theilen der Anden, ſcheint das vulkaniſche Feuer ſeine Kraft auf dieſe Obſi - diane geäuſsert zu haben. Groſse Maſſen von Ob - ſidian ſind aus den Kratern heraus geworfen wor - den, und die Wände dieſer Schlünde, welche wir in der Nähe unterſucht haben, beſtanden aus Por - phyren, deren Grundmaſſe das Mittel zwiſchen Obſidian und Pechſtein hielt. Daſſelbe überraſchte uns auf dem Pic von Teyde, [auf Teneriffa,] auf welchem die durch das Feuer veränderten Ge - birgsarten noch ſehr gut von den unveränderten Porphyrlagern, die vor den vulkaniſchen Ausbrü - chen da waren, zu unterſcheiden ſind. Einige ach - tungswerthe Mineralogen betrachten noch immer Baſalt, baſaltiſchen Porphyr und Obſidian als vul - kaniſche Produkte; wie ſollte aber ein Foſſil, das ſich, gleich den Obſidianen der Anden und aus Mexi - ko, bei geringen Graden unſrer Ofenhitze ſchon ent - färbt, aufſchwillt, ſchwammartig und faſerig wird, ein Produkt des vulkaniſchen Feuers ſeyn? Sollte man nicht vielmehr das ungeheure Aufſchwellen des Obſidians beim Glühen, und die Menge von Gas, welche aus ihm entweicht, für Urſachen der vul - kaniſchen Erdbeben in den Anden halten dürfen?
Die Höhe, wo der Porphyr in gröſster Menge in der neuen Welt vorkömmt, iſt 1800 bis 1900121 Mètres über dem Meere; und über dieſem Niveau haben wir auch die meiſten Obſidiane gefunden. Um Popayan, bei den Vulkanen von Puracé und Sotara, fangen die Obſidiane in einer Höhe von 4560 Mètres an; in der Provinz Quito kom - men ſie in Menge in einer Höhe von 2700 Mètres vor; und in Neu-Spanien finden ſie ſich nord - öſtlich von der Hauptſtadt Mexiko, (deren Marktplatz über das Südmeer 2256 Mètres, oder 1163 Toiſen nach Trembley's, 1133 Toiſen nach de Lüc's Formel erhaben iſt,) in einer Höhe von 2292 bis 2948 Mètres, am Oyamel und am Cerros de las navajas, (zu Deutſch Berg der Meſſer,)*)Dieſer Berg iſt nach Herrn von Humboldt 694 Mètres über den See Tescuco und 2948 Mètres über das Meer erhaben. d. H. von wo die beiliegenden Obſidiane herkommen. **)Auſser 11 Abarten von Obſidian und einigen an - dern mineralogiſchen Merkwürdigkeiten, fanden ſich in dieſer Kiſte, nach Herrn von Humboldt's Katalog, auch polariſirender Porphyr von Voiſaco, (Ann., XVI, 484;) gediegener Schwefel in Quarz von dem groſsen 2312 Mètres hohen Schwefelberge, zwiſchen Alauſi und Ticſan in der Provinz Quito; (Ann., XVI, 472;) und eine Stufe des merkwürdigen braunen Bleies von Zimapan. „ Statt daſs in Europa “, ſagt Herr von Humboldt, „ der Schwefel ſich immer nur im Flötzgebirge, beſonders im Gypſe findet, bildet er in jenem Schwefelberge mit dem Quarze ein Lager in einem uranfänglichen BergeDieſe Gegend hatte durch den122 ungeheuern Depot von Obſidianen, welcher hier am Fuſse der Porphyrfelſen von Jacal zwiſchen Moran, Totoapa und dem indianiſchen Dorfe Tulan - cingo liegt, einen ganz beſondern Werth für die al - ten Bewohner von Anahuac, da ſie ihre ſchneiden - den Werkzeuge aus Obſidian machten. Zwar iſt das Eiſen in Peru und Mexiko ſehr häufig, wo bei To - luca und in den nördlichen Provinzen groſse Maſ - ſen gediegenen Eiſens, den ſibiriſchen und ſüdameri - kaniſchen ähnlich, und von eben ſo problemati - ſchem Urſprunge als dieſe, auf den Feldern umher liegen;*)Alſo wieder ein neues Beiſpiel meteoriſcher Ei - ſenmaſſen, denen am Senegal ähnlich, wo ſie ſich als kleine ſchwarze Felſen finden. d. H. die alten Bewohner dieſer Länder bedien - ten ſich deſſelben aber nicht zu ſchneidenden In - ſtrumenten, ſondern nur des Kupfers und dreier**)aus Glimmerſchiefer; zwei andere Schwefelgru - ben der Provinz Quito ſind beide in primitivem Porphyr, die eine bei Ibarra, weſtlich von Cueſa - ca, die andere am Vulkane Antiſana 4850 Mètres über dem Meere. In dem braunen Blei von Zima - pan hat Herr Delrio, Profeſſor der Mineralogie zu Mexiko, ein vom Chromium und dem Ura - nium ſehr verſchiedenes Metall entdeckt, welches er für ein neues hält, und, weil die Salze deſſel - ben im Feuer und in Säuren alle ein ſchönes Roth annehmen, Erithronium genannt hat. Die Miner enthält in 100 Theilen 80,72 Theile gelben Blei - oxyds, 14,8 Erithronium, und etwas Arſenik und Eiſenoxyd. “d. H. 123 Arten von Stein, die dazu noch jetzt unter den Inſulanern der Südſee und den Wilden am Oronoko gebraucht werden, nämlich des Nephrits, des li - diſchen Steins, den man oft mit Baſalt verwechſelt hat, und des Obſidians, (Itztli.) Hernandes ſah noch mexikaniſche Meſſermacher arbeiten, die in einer Stunde über 100 Meſſer aus Obſidian verfer - tigten; und Cortez erzählt in einem ſeiner Brie - fe an Kaiſer Karl V., zu Tenochtitlan habe er Schermeſſer aus Obſidian geſehn, womit die Spa - nier ſich hätten raſiren laſſen. Noch ſieht man am Cerro de las navajas eine Menge von Gruben, aus welchen die Mexikaner die Obſidiane förderten, Spuren ihrer Werkſtätte, und halb vollendete Stü - cke. Es ſcheint, daſs hier mehrere tauſend Indianer auf einem Flächenraume von etwa 2 Quadratlieues arbeiteten. Ich habe durch Beobachtungen des An - tares die Breite von Moran, welches etwas ſüd - lich von den Obſidiangruben liegt, 20°9m′ 26″ ge - funden.
Das ſchwarze Erbrechen und das gelbe Fieber, welche jetzt in Vera Cruz ſchreckliche Verheerun - gen anrichten, machen es uns unmöglich, früher als im November nach der Küſte herab zu ſteigen, ſo daſs wir nicht vor dem Mai 1804 in Europa an - zukommen hoffen dürfen. Nach einem Aufenthalte von mehr als einem Jahre in der Provinz Quito in den Wäldern von Loxa und am Amazonenfluſſe, ver - lieſsen wir Lima, (wo ich das Ende des Durchgan - ges des Merkurs durch die Sonnenſcheibe beob -124 achtet habe,) im Januar 1803, (Nivoſe An XI.) Wir blieben faſt 1½ Monat in Guayaquil, und wurden hier faſt Augenzeugen des damahligen ſchrecklichen Ausbruchs des Cotopaxi. Unſre Schifffahrt durch die Südſee nach Acapulco war äuſserſt glück - lich, ungeachtet eines heftigen Sturms, den wir in der Breite der Vulkane von Guatimala, doch 300 Lienes weſtlicher, auszuhalten hatten. Der beſchä - digte Zuſtand unſrer Inſtrumente; die Fruchtloſig - keit unſrer Bemühungen, uns neue zu verſchaffen; das Ausbleiben des Kapitäns Baudin auf den wir an den Ufern der Südſee umſonſt gewartet hatten; die Scheu, welche wir hatten, einen ungeheuern Ocean auf einem Kauffahrteiſchiffe zu durchſe - geln, ohne an einer der dem Naturforſcher ſo in - tereſſanten Inſeln anzulegen; und vor allem das ſchnelle Fortſchreiten der Wiſſenſchaften, welches es nothwendig machte, nach einer Abweſenheit von 5 bis 6 Jahren die neuen Entdeckungen nachzu - hohlen: — alles das beſtimmte uns, die Rückreiſe über die Philippinen, das rothe Meer und Aegy - pten aufzugeben. Der ausgezeichneten Protection des Königs von Spanien ungeachtet, hatten wir, die wir auf eigne Koſten reiſten, doch tauſende von Schwierigkeiten zu überwinden, welche Expe - ditionen, die eine Regierung ausſchickt, nicht ken - nen. Wir werden uns von jetzt an mit der Bear - beitung und Bekanntmachung unſrer Beobachtun - gen beſchäftigen. Noch jung, und der Gefahren und Entbehrungen gewohnt, behalten wir indeſs125 Aſien und die benachbarten Inſeln noch immer im Auge, und mit tiefern Kenntniſſen und genauern Inſtrumenten ausgerüſtet, werden wir vielleicht in der Zukunft eine zweite Reiſe unternehmen kön - nen; wir beſchäftigen uns mit dem Plane dazu, wie mit einem verführeriſchen Traume. *)Nach Zeitungsnachrichten befand ſich Herr von Humboldt im März gegenwärtigen Jahrs auf Cuba, von wo er über Boſton nach Frankreich zu - rück zu kehren dachte. (Hamb. Correſp., 2ten Jun.) Am 19ten Juni langte er in Neu-York an, (daſ., No. 126.) „ Nach einer ſehr glücklichen Fahrt von 29 Tagen ſind die Herren von Humboldt und Bon - pland von Philadelphia zu Bordeaux angekom - men, und haben, auſser den Sammlungen, die ſie ſchon nach Europa geſchickt hatten, noch gegen 30 Kiſten mit Naturalien mitgebracht. “(daſ., No. 134, aus Briefen von Bordeaux den 6ten Auguſt. ) — Noch in Bordeaux machte Herr von Hum - boldt einen berichtigenden Brief in den Zeitungen bekannt, in welchem es unter andern heiſst: „ Es iſt bekannt, daſs ich im Jahre 1799 nur deshalb nach Madrit kam, um mir die Erlaubniſs des Ho - fes auszubitten, auf meine eignen Koſten Nach - ſuchungen in den weitläufigen ſpaniſchen Kolo - nieen anzuſtellen. Dieſe Erlaubnis iſt mir mit den liberalen Ideen bewilligt worden, welche unſer Jahrhundert auszeichnen, und denen man den ſchleunigen Fortgang der menſchlichen Kenntniſſe zu danken hat. Der König, welcher an dem guten Fortgange meiner Reiſe Antheil nahm, geruhte, mich mit dem groſsmüthigſten Schutze zu beehren;126〈…〉〈…〉*)und indem ich von dieſer von dem Könige fortge - ſetzten Gunſt Gebrauch machte, habe ich in ei - nem Zeitraume von 5 Jahren, die ich im ſpani - ſchen Amerika herum gereiſt bin, Bemerkungen machen können, von welchen einige vielleicht die Aufmerkſamkeit der Naturkündiger verdienen. “(daſ., No. 137.) — „ Seit 3 Wochen befindet ſich Alex. von Humboldt unter uns. Von allen hieſigen Gelehrten iſt er auf eine ſeiner groſsen Talente würdige Art aufgenommen worden. Seine lange und mühevolle Reiſe, und ſeine der Naturwiſſenſchaft gebrachten Opfer aller Art, ver - bürgen ihm auch hier die allgemeine Verehrung. “(daſ., No 155. Aus einem Schreiben aus Paris vom 18ten Sept.) d. H.
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Nachtrag zu Alex. von Humboldts Notizen von seinen physikalischen Beobachtungen in Peru und Mexiko. Alexander von Humboldt. . I+9 S. Rengersche BuchhandlungHalle1804. Annalen der Physik (18) pp. 118-126.
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