Wir theilen nach vielfach geäußertem Wunſche von dem achten Jahresberichte der naturforſchenden Geſell - ſchaft, welcher am Stiftungsfeſte vom Secretär, Hrn. Hofrath Schultze abgeſtattet, und in der Herder'ſchen Buchhandlung gedruckt erſchienen iſt, nachſtehenden Aus - zug mit.
Hochanſehnliche, verehrte Verſammlung!
Die naturforſchende Geſellſchaft feiert in der heu - tigen Sitzung, welche ich mit dem Jahresberichte zu eröffnen die Ehre habe, den achten Jahrestag ihrer Stiftung, und zugleich das Namensfeſt ihres erha - benen Protectors, Seiner Königlichen Hoheit unſe - res Durchlauchtigſten Großherzogs Ludwig. Jhm dem Durchlauchtigſten Sohne Karl Friedrichs glor - reichen Andenkens, Jhm, unter Höchſtdeſſen ruhmvol - ler Regierung alle Künſte und Wiſſenſchaften, und namentlich die unſrige, des gnädigſten Schutzes und der höchſten Beförderung ſich erfreuen, iſt heute unſer wärmſtes Dankgefühl gewidmet.
Auch in dem verfloſſenen Jahre iſt die Geſellſchaft durch unmittelbare Beweiſe der Allerhöchſten huldvoll - ſten Theilnahme ihres erhabenen Protectors beglückt worden.
Der Tag des 50jährigen Amts-Jubiläums des Herrn Geheimen-Hofrath Schmiderer, unſeres conſtituirenden Mitgliedes, war auch unſerer Geſell - ſchaft feſtlich; was ſie damals nur in kleinerem Kreiſe ausſprechen konnte, das wiederholt ſie heute öffent - lich: den Ausdruck der wärmſten Theilnahme, der leb - haften Anerkennung des Verdienſtes einer 50 Jahre lang fortgeſetzten ärztlichen Thätigkeit. Ueber die Aus - beute ſeiner in naturwiſſenſchaftlichem Sinne gemachten langjährigen Erfahrung, die reichen Sammlungen von Jnteſtinal-Würmern, vergleichend-anatomiſchen und pathologiſch-anatomiſchen Präparaten, ſo wie über eine lange Reihe von Witterungs-Beobachtungen hat uns der Jubelgreis ſelbſt ausführliche Mittheilungen ver - ſprochen, denen ich nicht vorgreifen will.
Wie nahe ſich an dieſes frohe Ereigniß ein höchſt trauriger Verluſt geknüpft hat, iſt uns allen noch in ſchmerzlicher, friſcher Erinnerung. Hr. Dr. J. M. Alexander Ecker, Großherzoglicher Geheime-Hofrath und Profeſſor, Ritter des Wladimir-Ordens u. ſ. w. ſtarb am 5. Auguſt plötzlich am Nervenſchlage. Er wurde am 26. Februar 1766 zu Teinitz in Böhmen geboren, war ſeit 1797 Profeſſor der Chirurgie und Entbindungskunde an unſerer Univerſität, und gehörte ſeit 1821 als conſtituirendes Mitglied unſerer Geſell - ſchaft an. Das Verzeichniß ſeiner Schriften befindet ſich in Schreibers literäriſchem Freiburg. Jm 64ſten Lebensjahre überraſchte ihn das unerwartete Ende mit -60ten in voller, durch mehrere academiſche und andere Aemter vermehrter Thätigkeit, in der Sitzung ſeiner Facultät, der er präſidirte.
Sein Andenken wird dauern in der freundlichen Geſinnung ſeiner Kollegen, es wird fortleben in den dankbaren Herzen einer großen Zahl von Schülern, fortleben in der Erinnerung der Tauſende, die er mit aufopfernder Sorgfalt in Krankheiten gepflegt, denen er Tag und Nacht ein treuer Helfer in Noth und Tod, und Tröſter in den bitterſten Schmerzen geweſen. Denn er war unermüdlich in dem Berufe des Arztes, und dieſer Beruf iſt ſchwer, ſo leicht ihn auch mancher dar - ſtellen möchte. Die nähere Schilderung ſeiner Ver - dienſte in den vielfachen Beziehungen, welche ihm ſeine Stellung darbot, überlaſſe ich dem gewandten Redner der Univerſität, der dieſe Pflicht übernommen hat. Nur eine uns zunächſt angehende Seite ſeiner Thätigkeit will ich mit wenigen Worten berühren. Es war un - verkennbar das höchſte Ziel von Eckers Beſtrebungen, ſeiner ärztlichen Wirkſamkeit eine feſte Grundlage durch naturwiſſenſchaftliche Kenntniſſe zu geben; die erſte und letzte, die höchſte und größte Aufgabe des Arztes.
O meine jüngern Freunde, die Sie an der Schwelle ärztlicher Wirkſamkeit ſtehen! Wenn leichter jugendlicher Sinn, oder das verführeriſche Beiſpiel frivoler Char - latanerie Jhnen die Schwierigkeiten dieſer großen Auf - gabe verbergen will, fragen Sie einen Mann, der Arzt und wahrer Naturforſcher zugleich, und in dieſem doppelten Wirkungskreiſe ergraut iſt, fragen Sie ihn, wie oft er der gewaltigen Natur gegenüber die Schwäche menſchlicher Kräfte gefühlt habe, wie oft er vergeblich bemüht geweſen, in allen den vermeintlichen Lebens - geſetzen, die heute mit leichter Zunge gegeben, und morgen wieder umgeſtoßen werden, das Mittel zu fin - den, um den Sturm der Kräfte in der Krankheit zu zähmen; wie oft ihm endlich erſt die Unterſuchung der Leiche den Schlüſſel zu dem Räthſel gegeben, an deſ - ſen Löſung vielleicht das Leben eines Kindes hieng, das das Glück ſeiner Eltern, oder die Rettung eines Vaters, der die Stütze der Familie, der Stolz des Landes war.
Solche Erfahrungen ſind unzertrennlich von dem Geſchäft des gewiſſenhaften naturforſchenden Arztes; ſie bringen ihm kummervolle Nächte und ſorgenſchwere Tage, deren hartverdiente Frucht endlich der Schmuck des großen Arztes iſt; die reife Erfahrung mit dem beſcheidenen Mißtrauen in die menſchliche Kunſt gepaart.
Darum iſt es ein ſo ſeltenes als großes Glück, darum ein ſo allgemeines Feſt, wenn ein ächter Heil - künſtler auf 50 Jahre treu erfüllten Berufes zurück - blicken kann, und in der ſtillen Theilnahme wie in der lauten Freude den Lohn für viele und große Opfer fin - det; ein Feſt, das unſerm geſchiedenen Kollegen nahebevorſtand, und deſſen Feier wir ihm vom Herzen ge - wünſcht haben.
Da mehrere Mitglieder im vergangenen Jahre län - gere Zeit auf Reiſen abweſend waren, ſo fanden nur 15 Sitzungen ſtatt, in welchen folgende wiſſenſchaft - liche Vorträge gehalten wurden.
Die Bibliothek der Geſellſchaft erhielt außer den re - gelmäßigen Anſchaffungen auch durch mehrere Geſchenke bedeutenden Zuwachs. Sie wurde wie im vorigen Jahre von dem academiſchen Leſeverein benutzt.
Ein neues hieſiges Mitglied hat die Geſellſchaft im verfloſſenen Jahre durch den Beitritt des Herrn Dr. Diez gewonnen.
Zur Feier des heutigen Tages ernennt die Geſell - ſchaft den Herrn Dr. Maler, Großherzoglichen Ge - heimen-Rath und Director der Sanitätskommiſſion, den Reſtor unter Badens Aerzten, den weiſen Beförderer des Studiums der Naturwiſſenſchaften, zu ihrem Ehren - Mitgliede.
Möge er noch lange in ungeſchwächter Kraft fort - fahren, dem erhabenen Herrſcher zu dienen, für Höchſt - deſſen Wohlergehen dem Himmel zu danken, wir heute die erhöhte Aufforderung haben.
Von den der Geſellſchaft von auswärts zugekomme - nen ehrenvollen Anerkennungen theilen wir die beiden neueſten mit. Seine königl. Hoheit der Großherzog von Baden haben folgendes gnädigſte Kabinets-Schreiben zu erlaſſen geruht.
« Mein lieber Hofrath Schultze. Jch danke Jhnen und der naturforſchenden Geſellſchaft für den Ausdruck Jhrer Wünſche zu meinem Geburtstage, die Jch, ſo wie die Mir überſandten Beweiſe Jhrer wiſſenſchaftlichen Thätigkeit, wohlwollend aufgenommen. Jch erkenne in letzteren aufs Neue Jhre ausgezeichneten Beſtrebungen, und bezeuge Jhnen dafür wiederholt Meinen Beifall. Mit vorzüglicher Achtung bleibe JchKarlsruhe den 8. Februar 1830. Jhr wohlgeneigter Ludwig »
Von Seiner Excellenz dem Geheimerath Herrn Frei - herrn A. v. Humboldt in Berlin iſt folgendes ehren - volle Schreiben an den Secretär, Herrn Hofrath Schultze, eingegangen:
« Jch erhalte gleichzeitig an demſelben Tage, theuer - ſter Herr Hofrath, Jhre beiden Briefe vom 10. Nov. v. J. und vom 12. Januar, letzteren begleitet von einer Zahl intereſſanter Arbeiten über Gegenſtände, welche in allen Ländern die Phyſiologen ſo lebhaft beſchäftigen. Von dem Drange vieler ſeit meiner Rückkunft nach Eu -ropa angehäuften Geſchäfte und meiner zeitraubenden geſellſchaftlichen Pflichten hingeriſſen, benutze ich die erſten freien Augenblicke, um Ew. Hochwohlgeboren zu bitten, Jhrer vortrefflichen naturforſchenden Geſellſchaft meine dankbarſte Verehrung zu bezeigen, und die erneu - erte Verſicherung hinzunehmen, daß jede Jhrer geiſt - reichen Beſtrebungen, die erſte Entwickelung des Orga - nismus im Gewimmel täuſchender Erſcheinungen aufzu - ſpüren, mein größtes Jntereſſe erregt.
Mit der freundſchaftlichſten und ausgezeichnetſten Hochachtung Ew. HochwohlgeborenBerlin, den 6. Februar 1830.gehorſamſter Al. Humboldt. »
Die Geſellſchaft darf auf das wohlwollende Urtheil dieſes berühmteſten unter den Naturforſchern Europa's, den ſie im vergangenen Jahre zu ihrem Ehrenmitgliede erwählt hat um ihre Verehrung öffentlich auszuſpre - chen, mit Recht ſtolz ſeyn.
CLARIN-DNote: Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe
[Humboldt an Schultze, Secretär der naturforschenden Gesellschaft zu Freiburg]. Alexander von Humboldt. . 1830. Freiburger Wochen- und Unterhaltungsblatt pp. 59-61.
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