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ANNALEN DER PHYSIK.
FÜNF UND SECHZIGSTER BAND.
NEBST DREI KUPFERTAFELN.
LEIPZIGBEI JOH. AMBROSIUS BARTH1820.
ANNALEN DER PHYSIK UND DER PHYSIKALISCHEN CHEMIE.
FÜNFTER BAND.
NEBST DREI KUPFERTAFELN.
LEIPZIGBEI JOH. AMBROSIUS BARTH1820.
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V. Ueber die zunehmende Stärke des Schalls in der Nacht;

von Alexander von Humboldt. (Eine Vorleſ. gehalt. am 13. März 1820 in d. Akad. d. Wiſſ. in Paris). *)Nach einem einzelnen Abdruck aus den Ann. de Chim. et de Phyſ., den ich dem Verf. verdanke, frei überſetzt von Gilb.

Ueber viele Naturerſcheinungen laſſen ſich genaue Meſſungen und direkte Verſuche anſtellen, einige aber ſind mit fremden Umſtänden ſo vermengt und es wir - ken bei ihnen der ſtörenden Urſachen ſo viele mit ein, daſs man ſich blos auf Nachdenken und Analogie bei ihrer Erklärung beſchränkt ſieht. Zu der erſten Art gehört die von den Polen nach dem Aequator zu ab - nehmende Stärke der magnetiſchen Kräfte, die Verän - derung der Temperatur der Luft, die Beſchaffenheit ihrer Elektricität in den höhern Luftſchichten, und ſo ferner. Beiſpiele der zweiten Art giebt alles, was mit dem ungeſunden Zuſtand der Atmoſphäre in Verbin - dung ſteht, alles, was in den höhern unzugänglichen Regionen des Luftkreiſes vorgeht, die Bildung der Wolken und des Hagels, das Beſtehen bläſchenartigen Dunſtes in Temperaturen unter dem Froſtpunkte, das Getöſe des Donners, die Zunahme der Elaſticität durch32 Wärme-Entwickelung bei derjenigen Verdichtung, welche in der Fortpflanzung des Schalls vor ſich geht, und dergl. mehr. Als man in der Phyſik noch nicht die ſtrenge Methode befolgte, der wir die groſsen Ent - deckungen des letzten Jahrhunderts verdanken, blieb alles, was ſich nicht genau und unmittelbar meſſen lieſs, ein Spiel gewagter und unbeſtimmter Hypothe - ſen. Man bedachte damals nicht, daſs ſich durch ein genaues Erwägen jeder der ſtörenden Urſachen, und durch Abſondern deſſen, was bei anſcheinend verwik - kelten Phänomenen durch fremde Umſtände bewirkt wird, auf dem Wege des Ausſchlieſsens von dem Be - kannten zu dem Unbekannten gelangen laſſe, und daſs Naturgeſetze nicht blos durch Betrachtungen, welche auf mathematiſcher Analyſe beruhen, ſondern auch nach der Analogie von Erfahrungen und direkten Meſ - ſungen können aufgefunden werden.

Die Zunahme der Stärke des Schalls während der Nacht, der Gegenſtand dieſer Abhandlung, iſt eine der Fragen, auf die man in unſern phyſikaliſchen Wer - ken keine Antwort findet. Ich will verſuchen, eine Erklärung dafür aus den neueſten Unterſuchungen über die Theorie der Schallwellen abzuleiten; doch bevor ich von den Urſachen der Erſcheinung rede, muſs ich die Bedingungen, unter denen ich dieſe Er - ſcheinung ſelbſt betrachte, angeben.

Schon im Alterthume wuſste man, daſs der Schall während der Nacht an Stärke zunimmt. Es ſprechen davon Ariſtoteles in ſeinen Problemen (ſect. 11, quaeſt. 5 §. 33) und Plutarch in ſeinen Dialogen (Sympoſiac. 1. 8 c. 3). Es verſteht ſich, daſs hier blos von der zunehmenden Stärke des Schalls in der Nacht,33 bei ruhiger, windloſer Luft, und nicht von dem Ein - fluſſe des Windes auf die Stärke des Schalls die Re - de iſt.

Es hat mir geſchienen, daſs in der heiſsen Zone der Schall des Nachts in den Ebenen ſich verhältniſs - mäſsig mehr verſtärkt, als auf dem Rücken der Andes in einer Höhe von 3000 Meter über dem Meere*)Es verſteht ſich, daſs hier blos von den verhältniſsmäſsigen Unterſchieden der Stärke des Schalls Nachts und Tages, und nicht von der abſoluten Stärke des Schalls, in den Ebenen und auf den Höhen die Rede iſt. Für die Abnahme des Schalls mit Zunahme der Höhe in der Atmoſphäre, hat man längſt die mathematiſche Theorie, und Hr. Poiſſon iſt durch ſie ſelbſt zu dem merkwürdigen Reſultate geführt worden, daſs, es - ge der Schall ſich von oben nach unten, oder von unten nach oben, lothrecht oder in ſchiefen Richtungen fortpflanzen, die Intenſität deſſelben immer nur allein von der Dichtigkeit der - jenigen Luftſchicht abhängt, von der er ausgeht. (Journ. de l'ecole polytechn. t. 7 (1808) p. 328.) v. H. , und auch in den niedrigen Gegenden mitten im feſten Lande mehr als auf offener See; Schätzungen, zu de - nen mich das Getöſe zweier Vulkane, des Guacamayo und des Cotopaxi, verholfen hat. Ich hörte daſſelbe Tags und Nachts, das des einen auf einer Bergebene (plateau) zwiſchen der Stadt Quito und der Maierei Chil - lo, das des andern auf der Südſee 10 franzöſ. Meil. weſt - lich von der Peruaniſchen Küſte. Das Gebrüll (bra - midos) der Vulkane der Cordilleren folgt auf einander in der Regel mit vieler Gleichförmigkeit von 5 zu 5 Minuten, iſt von keinen über dem Rande des Kraters ſichtbaren Exploſionen begleitet, und gleicht bald ent -Annal. d. Phyſik. B. 65. St. 1. J. 1820 St. 5. C34ferntem Donner, bald wiederholten Schüſſen ſchweren Geſchützes von groſsem Kaliber. Es würde intereſſant ſeyn, in Ländern, wo der Boden den Winter über mit Schnee bedeckt iſt, in der Nähe eines Waſſerfal - les zu unterſuchen, ob nicht das nächtliche Zuneh - men des Schalls im Winter geringer ſey, als im Som - mer wenn der Boden des Tags über durch die Son - nenſtrahlen ſtark erhitzt worden iſt.

In der Ebene um die Miſſion von Aturès hört man das Getöſe der über 1 franz. Meile davon entfernten gro - ſsen Waſſerfälle des Oronoco noch ſo laut, daſs man ſich in die Nähe der Brandung an einer felſigen Küſte verſetzt glaubt. Nachts iſt dieſes Getöſe drei Mal ſtärker als während des Tags, und giebt dieſen einſamen Orten einen unausſprechlichen Reiz. Welches kann die Ur - ſach dieſer Zunahme an Stärke des Schalls in einer Einöde ſeyn, wo, wie es ſcheint, nichts das Schwei - gen der Natur unterbricht? Die Geſchwindigkeit des Schalls nimmt, wenn die Temperatur kleiner wird, nicht zu, ſondern ab. Die Stärke wird geringer bei wi - drigem Winde, in verdünnter Luft, und in den höhern Regionen des Luftkreiſes, wo die Theilchen der erzit - ternden Luft in jedem Schallſtrahle minder dicht und elaſtiſch ſind; Trockenheit und Feuchtigkeit der Luft ſind dagegen ohne Einfluſs auf die Stärke des Schalls; im kohlenſauren Gas iſt dieſe aber geringer als in Mengungen von Stickgas und Sauerſtoffgas. Aus dieſen Thatſachen, den einzigen, welche wir mit einiger Gewiſsheit kennen, läſst ſich ſchwer - lich jenes Phänomen erklären, welches wir auch in Europa in der Nähe jedes Waſſerfalles wahrneh -35 men, und das ſchon lange vor meiner Gegenwart in dem Dorfe Aturès dem Miſſionair und den Indiern auf - gefallen war. Die Temperatur iſt dort C. niedriger Nachts als Tags, und zugleich nimmt die ſichtbare Feuchtigkeit des Nachts zu, und der Dunſt, welcher den Waſſerfall bedeckt, wird dichter. Ich habe aber ſchon bemerkt, daſs der hygroſkopiſche Zuſtand der Luft keinen Einfluſs auf die Fortpflanzung des Schalls hat, und daſs Erkältung der Luft die Geſchwindigkeit derſelben vermindert.

Vielleicht glaubt man, in dieſen menſchenleeren Gegenden mache das Summen der Inſekten, das Ge - zwitſcher der Vögel, und das Rauſchen der beim leiſe - ſten Winde ſich bewegenden Blätter Tags über ein verwirrtes Getöſe, das man bei ſeiner Einförmigkeit nicht wahrnehme, das aber das Ohr beſtändig fülle und dadurch die Intenſität eines ſtärkern Getöſes ver - mindere; indeſs dieſe Verminderung während der Stil - le der Nacht nicht Statt finde, weil dann Inſekten, - gel und Luft ruhen. Aber dieſer Grund, auch wenn man ihn überhaupt als gültig zugeben wollte, findet auf die Wälder am Oronoco keine Anwendung. Hier iſt die Luft ſtets von einer unzählbaren Menge Moſki - tos erfüllt und das Summen der Inſekten Nachts viel ſtärker als am Tage, und läſst Wind hier je ſich ſpü - ren, ſo iſt das nicht anders als nach Sonnen-Unter - gang der Fall.

Ich bin vielmehr der Meinung, daſs die Gegen - wart der Sonne auf die Fortpflanzung und die Stärke des Schalls durch die Hinderniſſe einwirkt, welche bei - den die Luftſtröme verſchiedener Dichtigkeit und dieC 236partiellen Undulationen der Atmoſphäre entgegenſet - zen, welche durch ungleiche Erhitzung der verſchiede - nen Theile des Erdbodens hervorgebracht werden. In einer ruhigen Luft, ſie ſey trocken oder ſey gleichför - mig mit bläſchenartigem Dunſt vermengt, pflanzt ſich die Schallwelle ohne Schwierigkeit fort. Ziehen dage - gen durch ſie in mannigfaltigen Richtungen (en tour ſens) kleine Ströme wärmerer Luft, ſo theilt ſich je - des Mal da, wo die Dichtigkeit des Mittels ſich plötz - lich verändert, die Schallwelle in zwei Wellen, und es bilden ſich partielle Echos, welche den Schall ſchwä - chen, weil eine der Wellen in ſich ſelbſt zurückläuft. Von ſolcher Theilung der Wellen hat Hr. Poiſſon kürzlich die Theorie mit dem ihm eigenen Scharfſinn gegeben*)In einer Abhandlung, welche ich meinen Leſern in einem der folgenden Hefte vorlegen werde. Gilbert.. Meiner Meinung nach ſchwächt alſo nicht die fortſchreitende Bewegung der Lufttheilchen von unten nach oben in dem Tags über aufſteigenden Luft - ſtrome, und in kleinen ſchief anſteigenden Luftſtrömen, durch Stoſs die Fortpflanzung der Schallwellen. Ein Stoſs gegen die Oberfläche einer Flüſſigkeit würde um den Mittelpunkt des Stoſses Kreiswellen bilden, ſelbſt wenn die Flüſſigkeit in Bewegung iſt; mehrere Arten Wellen können ſich in der Luft wie im Waſſer durch - kreuzen, ohne ſich in ihrem Verbreiten zu hindern, und kleine Bewegungen gehen über einander fort, (de petits mouvemens ſe ſuperpoſent); die wahre Urſach der geringern Intenſität des Schalls am Tage ſcheint der Mangel an Homogenität zu ſeyn, der dann in dem37 elaſtiſchen Mittel herrſcht. An allen Stellen eines un - gleich erhitzten Bodens, wo kleine Luftſtreifen von höherer Temperatur aufſteigen, findet eine plötzliche Unterbrechung der Dichtigkeit Statt, und überall, wo Luftſchichten von ungleicher Dichtigkeit mit einan - der in Berührung ſind, theilen ſich die Schallwellen, gerade ſo wie die Lichtſtrahlen, wenn ſie gebrochen werden, und bilden eine Art von Kimmung (Mirage). Bei den Schallwellen wie bei den Lichtwellen werden, wenn ſie durch Mittel von ungleicher Dichtigkeit fort - gehen, ſtets zugleich zwei Wirkungen hervorgebracht; Veränderung in der Richtung der Fortpflanzung, und Erlöſchung (extinction) von Licht und von Schall. Die Zurückwerfung, welche bei jeder Brechung er - folgt, ſchwächt die Intenſität des Lichts; eben ſo ver - urſacht die Theilung der Schallwelle da, wo die Dich - tigkeit der Luft ſich plötzlich verändert, partielle Echos, und der Theil der Welle, welcher in ſich ſelbſt zu - rückläuft, bleibt bei ſehr ſchwachem Schalle unſerm Ohre unmerkbar.

Bei der Luftſpiegelung (Kimmung, Mirage) mit doppelten Bildern, iſt ſtets das Bild, welches durch Brechung zunächſt am Boden entſteht, ſchwächer, als das direkt geſehene. Es können Luftſchichten von ſehr verſchiedener Dichtigkeit ſo mit einander abwech - ſeln, daſs die urſprünglichen Richtungen des Licht - ſtrahls und des Schallſtrahls dieſelben bleiben, die In - tenſität des Lichts und des Schalls werden dann aber nichts deſto weniger ſehr geſchwächt ſeyn. In der Nacht erkaltet die Oberfläche des Bodens; die mit Ra - ſen oder mit Sand bedeckten Theile nehmen eine glei -38 che Temperatur an, und es ſteigen nun nicht mehr Stri - che wärmerer Luft lothrecht oder ſchief aufwärts, nach mancherlei Richtungen in der kältern Luft. In einer mehr homogen geworden Flüſſigkeit, pflanzt ſich die Schallwelle mit minderer Schwierigkeit fort, und die Intenſität des Schalles nimmt zu, weil der Thei - lungen der Schallwellen und der partiellen Echos we - niger werden.

Um etwas Genaueres über die Urſach dieſer Strö - mungen wärmerer Luft zu geben, welche Tags über von einem ungleich erwärmten Boden aufſteigen, will ich aus dem hiſtoriſchen Berichte meiner Reiſe nach den Gegenden unter dem Aequator (t. 1 p. 164, 625, t. 2 p. 201, 283, 303, 376) einige Beobachtungen mit - theilen, welche ich zwiſchen den Wendekreiſen ge - macht habe. In den Llanos oder Steppen von Vene - zuela hatte der Sand um 2 Uhr Nachmittags eine Hitze von 52,5°, einige Mal ſelbſt von 60°C. (48°R. ), indeſs die Temperatur der Luft im Schatten eines Bombax 36,2°, und in der Sonne, 18 Zoll über dem Erdboden, 42,8°C. betrug. In der Nacht hatte der Sand nur noch eine Wärme von 28°, hatte alſo um mehr als 24°C. an Wärme verloren. Um die Waſſerfälle des Oronoco iſt die Erde mit Raſen bedeckt, und nimmt Tags über nur eine Wärme von 30° an, während die Luft 26° Wärme hat; aber der hier in bedeutender Ausdehnung anſtehende Granit, erhitzte ſich während deſſen bis 48° C. Ich habe eine groſse Menge ähnli - cher Beobachtungen in meinem Berichte von den Meſ - ſungen und Beobachtungen bekannt gemacht, welche von mir über die Mirage zu Cumana zu eben der Zeit39 ſind angeſtellt worden, als ſich Dr. Wollaſton mit die - ſem Gegenſtande in England beſchäftigte.

Iſt die Urſach, welche ich für die nächtliche Zu - nahme des Schalls angebe, die wahre, ſo darf man ſich nicht verwundern, daſs dieſe Zunahme zwiſchen den Wendekreiſen gröſser im Jnnern des Landes als auf offenem Meere, und gröſser in den Ebenen als auf dem Rücken der Cordilleren iſt. Die Oberfläche der Meere um den Aequator wird gleichförmig von der Sonne erwärmt, und nicht bis über 29° C., indeſs die verſchiedenfarbige, aus Materien von verſchiedener wärmeſtrahlenden Kraft beſtehende Oberfläche des fe - ſten Landes hier Temperaturen annimmt, die von 30° bis 52°C. reichen. In den tropiſchen Ländern bleibt all - gemein die Erde während der Nacht wärmer als die Luft. In den gemäſsigten Zonen wird dagegen der Erdboden in ruhigen und hellen Nächten um 4 bis C. kälter als die Luft, und es nimmt dann die Tempe - ratur nicht vom Boden aufwärts ab, ſondern anfangs zu, bis in Höhen von 50 bis 60 Fuſs, daher manch - mal die irdiſche Strahlenbrechung hier Nachts faſt eben ſo ſtark als am Tage iſt. Horizontale Luftſchich - ten von verſchiedener Dichtigkeit ſind über einander immer vorhanden; aber die Streifen wärmerer Luft, welche durch die Atmoſphäre in ſchiefer Richtung auf - ſteigen, ſind Nachts ſeltner als am Tage. Jn dem un - ter dem Aequator liegenden Theile der Andes beträgt in 3000 Meter Höhe die mittlere Temperatur der Luft nur 14° C., und die Wärme-Ausſtrahlung nach dem wolkenloſen Himmel, durch eine ſehr trockene und40 reine Luft hindurch, verhindert es, daſs der Boden während Tags nicht bedeutend erwärmt wird.

Doch genug von ſolchen örtlichen Umſtänden. Es iſt hinreichend, die nächtliche Verſtärkung des Schalls aus der Theorie der Schallwellen und ihrer Theilung im Allgemeinen abgeleitet zu haben. Die ganze Er - ſcheinung hat ihren Grund in eben dem Mangel an Homogenität der lothrechten Luftſäulen in der Atmo - ſphäre, welche (nach der ſinnreichen Anwendung, die Arago von der Lehre von der Interferenz und Neutraliſirung der Lichtſtrahlen gemacht hat) die wah - re Urſach des mehr oder minder ſtarken Funkelns der Fixſterne iſt. Man weiſs überdem, daſs die Fortpflan - zung des Schalls merklich geändert wird, wenn man in einer an ihrem einen Ende verſchloſſene Röhre eine Lage Waſſerſtoffgas über eine Lage atmoſphäriſcher Luft ſteigen läſst.

Wenn Ariſtoteles in ſeiner intereſſanten Schrift: Problemata, auf die Frage: warum hört man den Schall beſſer während der Nacht? antwortet: das kömmt daher, weil es dann mehr Ruhe giebt, wegen der Abweſenheit des Heiſseſten, welche Abweſenheit alles ruhiger und leidender macht, indem die Sonne das Princip aller Bewegung iſt: *)Ariſt. Opera omnia Ed. du Val. 1639 t. 2 p. 113 123. ſo ſcheint er die wahre Urſach geahnet zu haben. Ueberhaupt aber muſs man die Menge richtiger, oft feiner Beobachtun - gen bewundern, welche dieſes Werk des Philoſophen von Stagira über den Thau, die Urſachen der Mirage, die Wärmeleitung der Metalle und der Aſche, die -41 he der Wolken als Wirkung aufſteigender Strömun - gen und dergl. mehr enthält, und wenn man dabei bedenkt, wie unvollkommen der Zuſtand der Natur - lehre bei den Alten war, die in gänzlicher Un - bekanntſchaft mit der experimentalen Methode waren*)Man ſehe meine Samml. aſtron. Beobb. Th 1 S. 127. We - der in Ariſtoxenes Buch von der Muſik, noch in Sene - ca's quaeſt. natur., noch bei Theophylactus Simocat - ta kömmt die Frage vor, wohl aber bei Plutarch (Ed. Pariſ. 1624 t. 2 p. 721 D.) Der erſte der mit einander Reden - den, behauptet, die Kälte der Nacht figire und verdichte die Luft, und man höre den Schall am Tage ſchlecht, weil es weniger leere Räume gebe. Der zweite Redende verwirft dieſe leere Räume und nimmt mit Anaxagoras an, während Tags ſetze die Sonne die Luft in eine zitternde und ſchlagen - de Bewegung, man höre am Tage ſchlecht, wegen des vielen Staubes, der dann in der Luft ziſche und murmele, in der Nacht aber höre die Erſchütterung, und folglich auch das Zi - ſchen des Staubes auf. Doch müſſe Anaxagoras darin berich - tigt werden, daſs man auf dieſen Schall der kleinen Körper - chen in der Erklärung Verzicht leiſte, indem es hinreiche die Erſchütterung und Bewegung derſelben anzunehmen. Die Be - wegung der Luft nehme von der Stimme immer etwas fort und entführe etwas von ihrer Stärke und Gröſse. Der groſse Regierer und Heerführer am Himmel, die Sonne, ſetze alles, bis auf die kleinſten Lufttheilchen in Bewegung, und ſo bald er ſich zeige, errege und bewege er alles. v. H..

Die Bewohner der Alpen und der Andes halten eine ungewöhnliche Verſtärkung des Schalls während ruhiger Nacht für ein ſicheres Vorzeichen eintreten - der Veränderung der Witterung. Es wird regnen, ſagen ſie, weil man das Rauſchen der Ströme näher42 hört. Herr Deluc hat dieſes aus Veränderung des ba - rometriſchen Luftdrucks durch das Platzen einer grö - ſsern Menge von Luftblaſen an der Oberfläche des Waſſers zu erklären geſucht (Ueber die Atmoſphäre §. 1031 Anm. b.); dieſes iſt aber eine gezwungene, we - nig genügende Erklärung. Ohne mich auf eine ande - re einzulaſſen, begnüge ich mich, auf die Analogie die - ſes Vorzeichens mit dem einer mindern Extinktion des Lichtes aufmerkſam zu machen. Die Bergbewoh - ner kündigen eine Veränderung der Witterung an, wenn bei ruhiger Luft die Schneeberge plötzlich dem Beobachter näher zu ſtehen ſcheinen, und ihre Umriſ - ſe gegen den blauen Himmel mit ungewöhnlicher Schärfe zeigen. Welche Beſchaffenheit der Luft auch dieſe Erſcheinungen veranlaſſe, immer iſt es intereſſant, in ihnen eine neue Aehnlichkeit zwi - ſchen den Schallwellen und den Lichtwellen wahrzu - nehmen.

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TextÜber die zunehmende Stärke des Schalls in der Nacht
Author Alexander von Humboldt
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Responsibility Alexander Geyken, ed.; Susanne Haaf, ed.; Bryan Jurish, ed.; Matthias Boenig, ed.; Christian Thomas, ed.; Frank Wiegand, ed.

CLARIN-DNote: Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe

EditionVollständige digitalisierte Ausgabe.

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Bibliographic information Über die zunehmende Stärke des Schalls in der Nacht. Alexander von Humboldt. . II+12 S. 1820. Annalen der Physik (65) pp. 31-42.

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LanguageGerman
ClassificationPariser Akademiereden/-schriften; ready; avh

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